Regierung in Argentinien startet landesweites Wohnungsprogramm

Rund vier Millionen Wohnungen fehlen, vor allem in verarmten Ballungszentren nahe der Hauptstadt. Programm soll auch die Wirtschaft ankurbeln

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Entsteht hier ein Luxusviertel oder sozialer Wohnungsbau?
Entsteht hier ein Luxusviertel oder sozialer Wohnungsbau?

Buenos Aires. Die argentinische Regierung hat ein landesweites staatliches Wohnungsprogramm ins Leben gerufen. In den kommenden drei Jahren sollen rund 220.000 neue Wohneinheiten entstehen. Zudem werden etwa 20.000 Bauparzellen erschlossen und infrastrukturell versorgt sowie 24.000 Wohnbaukredite vergeben. Die Kosten für das Programm mit dem Namen "Eigenes Haus – Zukunft schaffen" werden auf rund 900 Milliarden Pesos geschätzt (rund zehn Milliarden Euro).

Präsident Alberto Fernández sagte, dass damit das Recht auf Wohnen auch für die ärmeren Bevölkerungsschichten gewährleistet werden soll. Zudem betonte er die erwarteten positiven Auswirkungen auf die nationale Wirtschaft: "Heute gehen wir eine neue Verpflichtung ein. Wir arbeiten dafür, dass allen Argentinierinnen und Argentiniern, die kein eigenes Dach über dem Kopf haben, Wohnraum zur Verfügung steht. Das ist ein ambitionierter Plan, und es wird einer großen finanziellen Anstrengung bedürfen. Zugleich wird er sich aber vielfach positiv auf die Wirtschaft auswirken." Argentinien könne die Wohnanlagen mit eigener Wirtschaftskraft errichten und sei dafür von keinerlei Importen abhängig, so Fernández.

Die ersten rund 3.000 neuen Wohneinheiten werden in mehreren südlichen Vororten der Bundeshauptstadt errichtet werden. Dort gibt es landesweit die höchste Dichte an Personen, die unter der Armutsgrenze leben. Ein entsprechendes Abkommen zwischen der Bundesregierung und den Bezirksverwaltungen wurde Ende Dezember unterzeichnet. Weitere sollen folgen, sodass bis März 2021 mit dem Bau von rund 60.000 neuen Wohnungen begonnen werden kann.

Der Minister für territoriale Entwicklung und Wohnen, Jorge Ferraresi, hob hervor, dass die neuen Wohnungen einem Mindeststandard entsprechen müssten, der würdiges Wohnen ermöglicht. Dazu müsse man sich von dem Konzept der Sozialwohnung verabschieden, denn "in den Schlafzimmern solcher Wohnungen hat nicht einmal ein Kleiderschrank Platz, die Gänge sind zu eng für einen Rollstuhl, es gibt keinen Platz für ein Auto oder einen Grill. Das wollen wir ändern. Alle müssen gleich sein, dieselben Dimensionen haben, und Möglichkeiten des Wachstums bieten."

Finanziert werden soll das Programm neben öffentlichen Geldern auch über den privaten Kapitalmarkt. Über entsprechende Finanzierungsmodelle gebe es bereits Gespräche zwischen der Regierung und dem Bankensektor. Diese, so Ferraresi, müssten mit dem Recht auf Wohnraum vereinbar sein. Was nicht mehr passieren dürfe, ist, "dass das Wohnen zum Spielball des Finanzsystems wird".

So wie in Argentinien üblich, werden die Wohneinheiten nicht vermietet, sondern von den Anwärtern als Eigentum erworben. Dafür soll es künftig ein automatisches, zwischen Steuerbehörde und Banken verhandeltes Rückzahlungssystem geben, welches Zahlungsraten je nach Einkommenssituation und finanziellen Möglichkeiten der Bewohner direkt vom Privatkonto an den Staat abgeführt.

Es wird geschätzt, dass derzeit in ganz Argentinien ein Bedarf von rund vier Millionen neuen Wohnungen besteht, ein großer Teil davon in den verarmten Ballungszentren rund um die Bundeshauptstadt. Im Juli des Vorjahres hatten etwa bis zu 2.500 Familien ein Areal in der Lokalität Guernica, südlich von Buenos Aires, besetzt und monatelang verteidigt. Im Oktober erfolgte die gewaltsame Räumung durch die Polizei. Die Regierung hatte daraufhin in Aussicht gestellt, dass in der Provinz Buenos Aires insgesamt 85.000 neue Parzellen erschlossen und 33.000 neu Wohneinheiten errichtet würden.

Unterdessen hat Richter Andres Gallardo am vergangenen Donnerstag den weiteren Verkauf von Grundstücken für Immobiliengeschäfte durch die Stadt Buenos Aires gestoppt. Die obligatorischen öffentlichen Anhörungen und gesetzlichen Vorschriften der Stadt seien nicht eingehalten worden, so das Urteil. Konkret geht es um die Gelände des Barrio Carlos Mugica (früher Villa 31-Villa 31bis), des Dreiecks von Salguero, der Bahngleise in Villa Crespo und des ehemaligen Mercado de Hacienda. Gegen die Verkäufe und geplanten Hochhaus-Luxusviertel hatte sich breiter Widerstand von Anwohnern sowie sozialen und Umweltorganisationen geregt.

Die Grundstücke gehören zu insgesamt 86 Hektar, die bis 2018 Eigentum des argentinischen Staates waren und unter der Präsidentschaft von Mauricio Macri per Vertrag an die Stadt übertragen wurden, die sie wiederum nach und nach veräußerte. "Was sich mit diesem Projekt zeigt, ist der starke Wille, so viel Land wie möglich freizugeben, um es für Immobilienspekulationen zu verkaufen", prangerte damals der Anwalt Jonatan Baldiviezo, Leiter der Beobachtungsstelle für das Recht auf Stadt, an. Die Beobachtungsstelle gehörte zu den Klägern, denen Richter Gallrado nun Recht gab.

Präsident Fernández hatte zudem Anfang des Jahres 2020 eine Untersuchung der von Macri unterzeichneten Verträge zur Übertragung von Grundstücken an die Stadt angeordnet. da er der Aufassung war, dass das Gesetz zur steuerlichen Verantwortung verletzt und öffentliche Vermögenswerte geschädigt worden seien.