Mobilisierung für Referendum gegen "Dringlichkeitsgesetze" in Uruguay nimmt Fahrt auf

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Per Referendum sollen die "LUC"-Reformen sowie der neue Austeritätshaushalt gekippt werden
Per Referendum sollen die "LUC"-Reformen sowie der neue Austeritätshaushalt gekippt werden

Montevideo. Die linke Plattform Intersocial in Uruguay will die jüngsten neoliberalen Reformen der Mitte-rechts-Regierung per Referendum zu Fall bringen. Das Bündnis hat nun mit den Mobilisierungen begonnen.

Bis zum 9. Juli 2021 müssen etwa 25 Prozent der registrierten Wählerschaft ihre Erstunterschrift geben, damit der nächste Schritt in Richtung Volksabstimmung freigegeben werden kann. Das sind 700.000 Stimmen bei einer Gesamtbevölkerung von rund drei Millionen. Jüngsten Umfragen zufolge gibt es in der Bevölkerung genügend  Zustimmung, um das erforderliche Quorum zu erreichen.

Bei dem zu verhindernden Maßnahmenpaket handelt es sich um die "Gesetze zur dringenden Bearbeitung" (Ley de Urgente Consideración, LUC), die in nur drei Monaten gegen den Willen der Opposition durchgepeitscht wurden und 467 Rechtsnormen beinhalten (amerika21 berichtete).

Die Plattform Intersocial besteht aus einer Vielfalt von Initiativgruppen aus der Umweltbewegung, der LGBT-Bewegung, aus Anti-Rassismusgruppen, Tierschützern, Land- und Wohnungskooperativen sowie Gewerkschaften und dem Mitte-links-Bündnis Breite Front (Frente Amplio, FA). Es sind insgesamt circa 60 Organisationen, die gemeinsam der Aushöhlung der Demokratie durch die rechte Regierungskoalition Einhalt gebieten wollen. Sie waren die Ersten, die den Vorschlag für ein Referendum in die Diskussion brachten. Er wurde schnell von den Gewerkschaften und zuletzt auch von der FA aufgegriffen.

Letztere hat als Oppositionspartei vielfach gegen das Durchwinken von 467 Gesetzen innerhalb der drei ersten Regierungsmonate von Präsident Luis Lacalle Pou protestiert. Im Verlauf des parlamentarischen Abstimmungsprozesses gelang es ihr auch, manche Veränderungen durchzusetzen. Schließlich votierte sie für fünf der Gesetze, die sie inhaltlich akzeptieren konnte.

Nun sollen mindestens 133 der 467 Maßnahmen durch das Referendum wieder rückgängig gemacht werden.

Über das weitere Vorgehen herrscht inzwischen Konsens: Man möchte alle Kräfte erreichen, die das Durchpeitschen der LUC-Gesetze ablehnen. Das umfangreiche Paket entspricht in etwa der Legislaturarbeit einer gesamten Regierungsperiode. Die Mobilisierung soll über die Linke hinaus auch Personen und Parteifraktionen im konservativen Lager ansprechen.

Fernando Pereira, Vorsitzender des Gewerkschaftsdachverbandes PIT-CNT, erklärte dazu in einem Interview: "Die 700.000 Stimmen für die erste Etappe sind sicher. Wir haben Erhebungen über das Meinungsbild im Land durchgeführt, die dieses Ergebnis erbrachten." Das Problem sei, "unter den Bedingungen der Pandemie zu den Menschen vorzudringen, sie zu finden. Wir können das schaffen, doch es erfordert eine extreme Anstrengung", so Pereira weiter.

Das Paket der Eilgesetze würde bewirken, in Uruguay wieder eine neoliberale Wirtschaftsordnung durchzusetzen. Proteste drohen kriminalisiert und Bildung – wie in Chile – privatisiert zu werden. Des Weiteren soll die Infrastruktur der Staatsbetriebe einigen Privatfirmen zur Nutzung übergeben werden, was in direktem Widerspruch zum Ergebnis einer Volksabstimmung von 1992 steht, die solche Privatisierungen verboten hatte. Mehrere Gesetze erleichterten laut Meinung von Experten die Geldwäsche und es sind Steuererleichterungen für Reiche vorgesehen.

Was nicht über die Eilgesetze durchkam, soll nun nach Wunsch von Lacalle durch den neuen Haushaltsplan vollendet werden. Auch dagegen will das Referendum mobilisieren.

Bereits jetzt sind die Lebenshaltungskosten für die unteren Einkommensschichten sehr hoch und Lohnerhöhungen unter dem Inflationsniveau vermindern ihre Kaufkraft.

Vor allem das öffentliche Gesundheitswesen erfährt in Zeiten der Pandemie starke Kürzungen, ebenso das staatliche Bildungswesen.