New York. Seit vergangener Woche werden die Rechte an Wasser wie Öl, Weizen und Soja an der Wall Street in den USA auf dem Futures-Markt gehandelt, basierend auf dem Nasdaq Veles California Water Index (NQH2O). Obwohl der Index aus den Preisen für Wasserrechte auf dem Terminmarkt der fünf Gebiete Kaliforniens mit dem höchsten Volumen an Transaktionen dieser Art gebildet wird, kann er als Referenz für den Rest der Welt auf den Wassermärkten verwendet werden.
Was dies für Lateinamerika bedeutet, ist noch offen. Dort haben konservative und neoliberale Regierungen zugunsten von Konzernen wie Nestlé oder Coca Cola immer wieder versucht, Wasserressourcen zu privatisieren. Die Bevölkerung hat jedes Mal mit massiven Protesten reagiert.
In Kalifornien, wo die Wasserknappheit zugenommen hat, hat sich der Preis für Wasser nach diesem NQH2O-Indext im letzten Jahr verdoppelt. Vergangene Woche lag er bei 486,53 US-Dollar pro Acre-Fuß, was etwa 1,4 Millionen Litern entspricht. Die übermäßige Ausbeutung durch den Primärsektor, die Industrie und den privaten Konsum sowie der Klimawandel haben zu einer zunehmenden Verknappung der Ressource Wasser geführt.
Auch in anderen Regionen der Welt zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Fast zwei Milliarden Menschen leben in Ländern mit schlechtem Zugang zu Wasser und zwei Drittel der Welt könnten in den nächsten vier Jahren mit Wasserknappheit konfrontiert sein.
Befürworter dieses finanziellen Mechanismus sagen, dass wenn er gut genutzt würde, ein besseres Management des zukünftigen Risikos und eine effizientere Nutzung von Wasser ermöglich würde.
Fast überall auf der Welt betrachten indes die Gesetze Wasser als Gemeingut in öffentlichem Besitz. Nutzungsrechte durch Konzessionen oder Verwaltungslizenzen zur Nutzung oder zur Ableitung werden jedoch vergeben. Was an der Wall Street gehandelt wird, ist nicht das Wasser selbst, sondern die Rechte, es zu nutzen.
"Theoretisch schafft man auf diese Weise Anreize für die Nutzer, das Wasser effizienter einzusetzen und dass die überschüssigen Wasserrechte auf dem Markt verkauft werden können. So gelangt das Wasser dorthin, wo es besonders benötigt wird", sagt der Ökonom Gonzalo Delacámara, der die Vereinten Nationen, die Europäische Kommission und die Weltbank berät und Direktor für Wasserökonomie am Imdea-Institut in Madrid ist. Diese Rechtemärkte könnten "ein Instrument für den Naturschutz sein, wenn sie gut genutzt werden, was jedoch nicht immer der Fall ist". Es gebe viele kontroversere Fälle, wie etwa in Chile, wo der landwirtschaftlichen Entwicklung Vorrang vor dem Umweltschutz eingeräumt wurde. Dabei wurden teilweise kostenlose Rechte auf Dauer gewährt. Dies habe ein absurdes Ausmaß angenommen: "Im Copiapó-Tal in Nordchile wurden mehr Nutzungsrechte vergeben, als im Becken tatsächlich an Wasser vorhanden ist“, stellt Delacámara fest.
Internationale Experten sehen den Handel von Wasserrechten an der Börse kritisch. Pedro Arrojo, Wirtschaftswissenschaftler und UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Trinkwasser und Sanitärversorgung, ist strikt gegen diese Finanzierungsmechanismen. "Der Austausch von Konzessionen steht in eklatantem Widerspruch zu den Grundlagen, mit denen ein öffentliches Gut verwaltet wird. Plötzlich verdient jemand Geld indem er ein Recht verkauft, das der Staat ihm kostenlos gegeben hat", betont er.
Auch der ehemalige Präsident von Bolivien, Evo Morales, kritisiert den Schritt scharf: "Wasser an der Wall Street zu notieren, das ist, als würde man einen Preis auf das Leben setzen. Wenn der Raubtierkapitalismus weitergeht, verdammen wir zukünftige Generationen zu einer globalen Katastrophe. Wasser ist ein Recht, es muss für die Menschen sein, nicht für die transnationalen Konzerne." Der Ex-Präsident von Ecuador, Rafael Correa, bezeichnete seinerseits die Neuigkeit als "sehr besorgniserregend" und der linke Senator Gustavo Petro aus Kolumbien twitterte: "Wenn das Wasser eine Ware ist, steigt sein Preis und es herrschen Durst und Tod".
Im Jahr 2010 hat eine deutliche Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten die Versorgung mit Trinkwasser als ein grundsätzliches Menschenrecht anerkannt. Die entsprechende Resolution war von Bolivien eingebracht worden.