Kolumbien / Politik

Opposition in Kolumbien: "Betrug bei der Präsidentschaftswahl 2022 vorprogrammiert"

Debattierte Wahlreform öffne Tür für Manipulation. Ablehnung sogar unter Mitte-rechts-Politikern. Betrug bei Volksabstimmung von 2018 entdeckt

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Die Wahlgeschichte Kolumbiens ist voll von Korruptions- und Betrugsfällen, gegen die kaum ermittelt wird
Die Wahlgeschichte Kolumbiens ist voll von Korruptions- und Betrugsfällen, gegen die kaum ermittelt wird

Bogotá. Oppositionelle in Kolumbien haben wegen des neuen Wahlgesetzes, das gerade zur Modernisierung des Wahlsystems im Kongress diskutiert wird, die Alarmglocken geläutet. Unterstützt wird das Regelwerk von der Regierung des rechten Präsidenten Iván Duque. Unter anderem legt der Gesetzentwurf die Sonderkontrolle über das Registeramt und seine Wahllogistik in die Hände des obersten Leiters dieser Behörde sowie in die Hände des Regierungschefs.

"Achtung, ein großer Betrug für die Wahlen 2022 wird vorbereitet", hieß es in einem Tweet des linken Senators und möglichen Kandidaten für die Präsidentschaft, Gustavo Petro.

Das derzeit diskutierte Wahlgesetz hat nicht nur unter Progressiven und Linken sondern auch unter Konservativen für Empörung gesorgt. So haben Politiker der Mitte-rechts-Partei Cambio Radical (Radikaler Wandel, CR) wie der Ex-Präsidentschaftskandidat Germán Vargas Lleras und der Senator Rodrigo Lara es als "Missgestalt" bezeichnet, welche "die Türen für einen Wahlbetrug öffnet".

Der Gesetzentwurf, so wie der oberste Leiter des Registeramts, Alexander Vega, ihn beim Kongress eingereicht hat, befugt das Staatsoberhaupt dazu, die Struktur dieser Wahlbehörde nach Wunsch zu ändern sowie Löhne und Anstellungsmechanismen zu bestimmen. Vega seinerseits hätte die vollständige Kontrolle über die Software, die Datenverarbeitung bei den Wahlen und die Ausschreibungen für die Wahllogistik, ohne Rechenschaft darüber ablegen zu müssen.

Kritiker des Wahlgesetzes misstrauen Vega wegen seiner dubiosen Vergangenheit. Seine Karriere hat er mit Hilfe von Ex-Senatoren gemacht, die wegen des Korruptionsskandals um den Baukonzern Odebrecht im Gefängnis sitzen. Die Stiftung Frieden und Versöhnung (Paz y Reconciliación, Pares) hat außerdem enthüllt, dass der Chef des Registeramts 1.500 Mitarbeiter abgesetzt hat und teilweise durch Angehörige der politischen "Klans" ersetzt hat. Laut dem Sprecher von Pares, Ariel Ávila, war dies eine Gefälligkeit, damit die Politiker der Klans im Kongress für das Wahlgesetz stimmen.

"Klans" nennt man in Kolumbien mächtige Familien, die ganze Regionen des Landes politisch und wirtschaftlich durch Korruption und zum Teil durch Paramilitärs kontrollieren. Sie alle sind im Kongress direkt oder indirekt vertreten und unterstützen Kandidat:innen bei den Kommunal- und Präsidentschaftswahlen unter anderem durch den Kauf von Stimmen. Auch Duque schuldet ihnen sein Sieg im Jahr 2018.

Einer der Artikel im Gesetzentwurf überlässt es dem Leiter des Rechnungsamts, Registermitarbeiter "wegen Mangels an Vertrauen" abzusetzen. Lebenslauf und Leistung würden somit nicht mehr relevant für die Rechnungsamtsposten sein, sondern dass ihr oberster Chef ihnen vertraut.

Sehr kritisch sehen die Oppositionellen auch die Abschaffung des "Garantien-Gesetzes", das die debattierte Wahlreform vorsieht. Diese Reglung verbietet der Regierung, Geschäftsaufträge in den letzten vier Monaten vor der Präsidentschaftswahl zu erteilen. So wird vermieden, dass die Regierungskoalitionen sich Unterstützung für ihre Kandidat:innen anhand der Vergabe von Aufträgen erkaufen.

Skepsis gibt es ebenso bezüglich der geplanten elektronischen Stimmabgabe, wenn die Software, die Ausschreibungen zum Kauf der elektronischen Mittel und deren Betrieb nur durch den Leiter des Registeramts kontrolliert und überprüft würde.

Die Wahlgeschichte Kolumbiens ist voll von Korruptions- und Betrugsfällen, gegen die nie zu Ende oder gar nicht ermittelt wird. So der Fall von Aída Merlano  oder von  "Ñeñe" Hernández, unter vielen anderen.

Den jüngsten Betrug hat der linke Senator der Partei Polo Democrático, Iván Cepeda, unlängst aufgedeckt und angeprangert. Es geht um die gescheiterte Volksabstimmung für die Korruptionsbekämpfung im Jahr 2018.

Er fand heraus, dass das Wählerverzeichnis um knapp 2,7 Millionen nichtexistierende Personen aufgebläht worden war. Auf diese Weise war die vorausgesetzte Mindestwahlbeteiligung fälschlich höher und wurde trotzt 99 Prozent Zustimmung bei den abgegebenen Stimmen nicht erreicht. Anhand der realen Zahlen hat die Volksabstimmung allerdings sogar mit knapp 430.000 Stimmen die Mindestwahlbeteiligung überschritten und somit gesiegt. Cepeda kündigte in dieser Angelegenheit rechtliche Schritte an.