Umwelt / Wirtschaft

Empörung über Pläne der FAO zur Zusammenarbeit mit der Pestizidindustrie

Organisationen und Wissenschaftler:innen aus aller Welt fordern die FAO auf, Allianz mit CropLife International nicht einzugehen

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Wie will die FAO die Propagierung von Biodiversität und Agrarökologie und eine Kooperation mit der Pestizidindustrie vereinbaren?
Wie will die FAO die Propagierung von Biodiversität und Agrarökologie und eine Kooperation mit der Pestizidindustrie vereinbaren?

Mexiko-Stadt et al. Über 350 Organisationen der Zivilgesellschaft, Landwirtschaftsorganisationen, kirchliche Einrichtungen und Menschenrechtsgruppen aus 63 Ländern haben den Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in einem offenen Brief dringend aufgefordert, seine Pläne zu stoppen, eine formelle Partnerschaft mit CopLife International einzugehen und die Zusammenarbeit zu vertiefen. Die Unterzeichner:innen vertreten Hunderttausende von Fischer:innen, Landarbeiter:innen und anderen Gemeinschaften sowie Institutionen für Menschenrechte und religiöse, ökologische und wirtschaftliche Gerechtigkeit.

CropLife ist ein weltweiter Handelsverband der chemischen Pestizidindustrie und vertritt die Marktinteressen seiner Mitgliedsunternehmen, die Pestizide, einschließlich hochgefährlicher, herstellen und fördern.

Zu den Aufgaben der FAO gehöre es, die Produktion und die Verteilung von landwirtschaftlichen Produkten und Nahrungsmitteln weltweit zu verbessern, ohne die globalen Nachhaltigkeitsziele zu gefährden. Zu diesen zählen der Schutz des Wassers und der Landökosysteme, deren nachhaltige Nutzung zu fördern, den Verlust biologischer Vielfalt zu stoppen und den Hunger in der Welt zu beenden.

Die vorgeschlagene Allianz sei Sarojeni Rengam, der Direktorin des Pesticide Action Network (PAN) Asia Pacific, zufolge unangemessen und untergrabe den Auftrag und die Ziele der FAO. Der Zweck von CropLife bestehe darin, für die fortlaufende Nutzung der Pestizid-Produkte seiner Mitglieder einzutreten. Diese gefährlichen und veralteten chemischen Lösungen stellten Hindernisse für den dringend notwendigen Übergang zu innovativen, wissensintensiven ökologischen Anbaumethoden dar.

Susan Haffmans, Referentin für Pestizide bei PAN Germany, hob hervor, dass eine starke und von der Pestizidindustrie unabhängige FAO vonnöten sei, die sich – frei von Marktinteressen globaler Konzerne – für sichere gesunde Ernährung und nachhaltige Anbausysteme zum Wohl aller Menschen einsetzt. Mit ihrem Engagement für Agrarökologie habe die FAO diesen Weg eigentlich eingeschlagen und solle ihre Erfolge im Bereich Agrarökologie und ihre Integrität nicht gefährden.

Analysen von Branchen-Daten belegten PAN zufolge, dass die CropLife-Mitgliedsunternehmen BASF, Bayer Crop Science, Corteva Agriscience, FMC und Syngenta mehr als ein Drittel ihres Umsatzes mit hochgefährlichen Pestiziden (HHP) erzielten. An dem Export von der EU nicht genehmigter hochgefährlicher Pestizide in Drittländer sind PAN zufolge auch CropLife Mitgliedsfirmen beteiligt. Der Anteil des HHP-Verkaufs ist dem Schreiben zufolge in Ländern des globalen Südens sogar noch höher.

Mariano Ochoa Millán, ein ehemaliges Vorstandsmitglied des International Indian Treaty Council in Rio Yaqui Sonora, Mexiko, beklagte, dass viele Kinder der indigenen Yaqui-Gemeinschaft gestorben seien oder lebenslange Behinderungen erlitten hätten, weil sie giftigen Pestiziden ausgesetzt waren, die in den Ländern, die sie exportierten, verboten wurden. Millán, der am 31. August an den Folgen einer Corona-Erkrankung starb, reagierte auf die Erklärung des ehemaligen UN-Sonderberichterstatters für Giftmüll, Baskut Tuncat, in der er die reichen Nationen aufforderte, die Praxis des Exports verbotener Pestizide einzustellen. Viele der Mitgliedsunternehmen von CropLife sind starke Befürworter dieser Praxis.

Der Brief wurde von einer Reihe wichtiger internationaler Organisationen und breit abgestützten globalen Netzwerken mit gesponsert: Die Allianz für Ernährungssouveränität in Afrika, das Zentrum für Umweltvölkerrecht, Fian International, Friends of the Earth International, das Institut für Landwirtschaft und Handelspolitik, der Internationale Indische Vertragsrat, das Internationale Netzwerk zur Beseitigung von Schadstoffen (IPEN), die Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Café- und Gaststättengewerbe-, Tabak- und verwandte Berufsverbände, Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN), Public Eye International und Third-World-Network.

Marcia Ishii, leitende Wissenschaftlerin bei PAN North America, erläuterte die Auswirkungen der vorgeschlagenen Zusammenarbeit: "Die Entscheidung der FAO, eine formelle Partnerschaft mit CropLife einzugehen, ist eine schlechte Nachricht für die Millionen Landwirte, deren Gesundheit und Lebensgrundlagen durch hochgefährliche Pestizide, die von den CropLife-Mitgliedsunternehmen hergestellt werden, zerstört wurden." Leider scheine sich laut dem Protestbrief die Institution seit der Übernahme ihrer Leitung durch Qu Dongyu für eine engere Zusammenarbeit mit Pestizidfirmen zu öffnen, die diese Beziehung wahrscheinlich ausnutzen würden, um eine gewisse Image-Wäsche zu betreiben, die Politikentwicklung zu beeinflussen und den Zugang zu globalen Märkten zu verbessern. Es überrasche nicht, dass die neu ernannte stellvertretende Generaldirektorin der FAO, Beth Bechdol, mit einer Geschichte enger finanzieller Beziehungen zu Corteva (ehemals Dow/DuPont), einem Croplife-Mitglied mit Sitz im Heimatstaat von Bechdol, Indiana, USA, zur FAO komme.

Eine internationale Gruppe von 286 Wissenschaftlern und Forschern hat ebenfalls ihre Besorgnis über die angekündigte Partnerschaft zum Ausdruck gebracht und FAO-Generaldirektor Qu einen Brief übergeben.

Shiney Varghese, leitender Politikanalyst am Institut für Landwirtschafts- und Handelspolitik, sagte, dass die FAO zwar nach eigenen Angaben die Pestizidschäden weltweit minimieren wolle. Im Zusammenhang einer Partnerschaft zwischen FAO und CropLife sei anzumerken, dass viele dieser Verkäufe an Landwirte in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen wie Brasilien, Indien und Thailand gingen, während nur 27 Prozent in Ländern mit hohem Einkommen getätigt wurden. Es sei nicht überraschend, dass CropLife International eine Partnerschaft anstrebe, aber warum sollte die FAO diese Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen gefährden wollen?

Fernando Bejarano, IPEN-Koordinator für Lateinamerika und die Karibik, der mehrere Berichte über HHP in den Ländern der Region beaufsichtigt hat und Koordinator des Pestizid-Aktions-Netzwerks Mexiko ist, unterstützte die Kritik nachdrücklich: In Lateinamerika brauche man eine Politik, die die allmähliche Beseitigung hochgefährlicher Pestizide und die Ausweitung der Agrarökologie unterstütze und nicht untergrabe.