Kritik an massiver Ausweitung industrieller Landwirtschaft in Argentinien

Vorhaben des Agrarministeriums ist laut Pestizid-Aktionsnetzwerk rückwärtsgewandt und schädlich für Mensch und Umwelt

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Warnt vor den Folgen zunehmender industrieller Produktion von Getreide und Hülsenfrüchten: das "Red de Acción en Plaguicidas y sus Alternativas" Argentinien
Warnt vor den Folgen zunehmender industrieller Produktion von Getreide und Hülsenfrüchten: das "Red de Acción en Plaguicidas y sus Alternativas" Argentinien

Buenos Aires. Die argentinische Sektion des internationalen Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN) kritisiert die "Initiative 200 Millionen Tonnen Getreide, Ölsaaten und Gemüse" der Regierung von Präsident Alberto Fernández als sozial und ökologisch rückschrittlich und gefährlich.

Das Ministerium für Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei hatte am 14. Oktober die Resolution 216/2020 verabschiedet, um die Produktion von Getreide und Hülsenfrüchten wie Soja bis 2030 auf 200 Millionen Tonnen zu steigern. Aktuell liegt sie bei 143 Millionen Tonnen. Die Exporte der Agrarindustrie sollen binnen fünf bis zehn Jahren um 60 Prozent wachsen und 57 Milliarden US-Dollar zusätzlich an Devisen bringen.

Die Initiative soll laut Regierung Investitionen fördern, um die landwirtschaftliche Produktion, Verarbeitung und Wertschöpfung zu erhöhen, Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen, Agrarexporte zu steigern und damit Devisen aus dem internationalen Handel zu generieren.

PAN-Argentinien kritisiert das Vorhaben als rückwärtsgewandt: Man orientiere sich einseitig auf die Intensivierung, Industrialisierung und Exporte der Agrarindustrie. Die kulturelle, ökologische und soziale Dimension werde nicht berücksichtigt. Weder in der Resolution noch in ihrem Anhang gehe es um "Nachhaltigkeit". Es werde auch keine Möglichkeit in Betracht gezogen, die Nahrungsproduktion ohne die ständige und wachsende Anwendung von Düngemitteln, Pestiziden und Brennstoffen zu organisieren.

Die Initiative kündige zwar eine Wiederaufforstung von zwischen 500.000 und einer Million Hektar landwirtschaftlicher Flächen in Pufferzonen unter Verwendung neuer sicherer Technologien mit einer Reduzierung des Einsatzes von Agrochemikalien um bis zu 80 Prozent an. Jedoch befürchtet PAN, hier gehe es einfach um den Einsatz neuer Technologien wie präziserer Pestizidausbringungs-Methoden, während gleichzeitig die Pufferzonen etwa zu Wäldern und Anwohner-Siedlungen verringert werden sollten.

Das Netzwerk erinnert zudem daran, dass sich inzwischen viele Bezirke und Gemeinden mobilisierten, um die Anwendung von Pestiziden einzuschränken.

Was die erwähnte Verringerung des Einsatzes von Agrochemikalien betreffe, so sei dieses Versprechen auch bei der Einführung transgener Nutzpflanzen im Jahr 1996 gegeben worden. Die Statistiken zeigten jedoch, dass es einen Anstieg von 70 Millionen Liter/Kilo Pestizide im Jahr 1994 auf aktuell über 400 Millionen gegeben habe.

In seiner Stellungnahme weist PAN darauf hin, dass 123 hochgefährliche Pestizide aus der internationalen PAN-Liste im Land zugelassen und 109 Pestizide, die in anderen Ländern verboten seien, in Argentinien vermarktet würden. Als "hochgefährlich" gelten laut gemeinsamer Definition der Welternährungs- und der Weltgesundheitsorganisation solche Pestizide, die krebserregend sind, das Erbgut, die Nerven oder die Ökosysteme schwer schädigen.

Javier Souza Casadinho, Koordinator des PAN-Argentinien, problematisiert, dass im Zuge der Privatisierung und Patentierung die Freiheit der Produzenten durch die Gesetzgebung  immer mehr eingeschränkt werde, ihr eigenes Saatgut wiederzuverwenden, das sie früher auf lokalen Märkten erworben oder mit anderen Bauern getauscht haben.

Ferner vernachlässige die Regierung in ihrem Vorhaben die Ernährungssouveränität und das Recht der bäuerlichen und indigenen Gemeinschaften zu entscheiden, was sie produzieren, wie sie es tun und wie sie sich ernähren. Dieses Recht werde verletzt, wenn exportorientierte Monokulturen und Technologiepakete ausgedehnt würden auf Kosten der Qualität der Agrarökosysteme, die einer gesunden Nahrungsmittelproduktion zur eigenen und inländischen Versorgung dienten.

Schließlich würden die negativen Effekte nicht erwähnt, die derartige Produktionssteigerungen auf Gemeingüter wie Böden, Gewässer, Luft, Klima oder der von ihnen erbrachten Ökosystemleistungen haben können. "Nur agrarökologische Ansätze bieten die Möglichkeit, wirklich nachhaltige Agrarökosysteme zu planen und umzusetzen, die wirtschaftlich lebensfähig sind, das Wissen unserer Bauern und Bäuerinnen respektierten und zur Erreichung der Ernährungssouveränität führen", betont das Netzwerk abschließend.