Argentinien / Politik

Konflikt um Richterversetzungen in Argentinien

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Der Justizpalast in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires
Der Justizpalast in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires

Buenos Aires. Ein potentieller Streit zwischen Exekutive, Legislative und Judikative hält die Öffentlichkeit Argentiniens in Atem. Seit einem Monat wartet man gespannt auf eine Entscheidung des obersten Gerichtshofs (OGH) bezüglich der Versetzung der Kammerrichter Leopoldo Bruglia und Pablo Bertuzzi und des Bundesrichters German Castelli.

Das Gericht hatte sich selbst unter Zugzwang gesetzt, als es deren Antrag akzeptierte, mehrere Instanzen zu überspringen und den Fall an sich zu ziehen. Vorausgegangen war massiver Druck der Opposition und der ihr nahestehenden Presse auf den OGH, eine entsprechende Anordnung der Exekutive Rückgängig zu machen.

Der Sachverhalt gilt eigentlich als relativ eindeutig: Laut Verfassung werden Kandidaten auf Richterämter von der Exekutive vorgeschlagen und vom Senat bestätigt. Dies gilt auch für die Versetzung von Richtern in höhere Instanzen oder andere Rechtsbereiche. Unter der Regierung Mauricio Macris wurden jedoch per Dekret insgesamt zehn Richter versetzt, ohne die Bestätigung des Senats einzuholen.

Nach dem Regierungswechsel forderte der Senat diese Richter auf vorstellig zu werden, um ihre Situation zu regeln. Sieben davon folgten der Aufforderung. Bruglia, Bertuzzi und Castelli weigerten sich jedoch und blieben der Senatsanhörung fern. Der Senat legitimierte deren Versetzung folglich nicht. Das Kontrollorgan der Richterschaft, der Magistratsrat (Consejo de la Magistratura), verfügte daraufhin die Rückversetzung der drei Richter in ihre ursprünglichen Ämter, was die Exekutive per Dekret umsetzte. Bruglia und Bertuzzi klagten vor der Kassationskammer und dem Verwaltungsgericht, die beide die Verfügung jedoch bestätigten, worauf sie den "Per Saltum" (Instanzenüberspringung) zum OGH beantragten.

Die politische Natur der Angelegenheit bietet indes Konfliktstoff.

Unter der Regierung Macri gab es zahlreiche Eingriffe in die Justiz: Zwei offene Stellen am OGH wurden per Dekret mit Carlos Rosenkrantz und Horacio Rosatti besetzt, diese Ernennungen jedoch später vom Senat bestätigt. Von circa 240 geplanten Neubesetzungen für Richterstellen kamen letztendlich nur rund 100 Ernennungen zustande. Zehn Richter wurden versetzt und mindestens drei aus dem Amt gedrängt. Die Generalstaatsanwältin Alejandra Gils Carbó wurde zum Rücktritt genötigt und durch Ricardo Casal ersetzt, dem ebenfalls bis heute die Senatsbestätigung fehlt und der deshalb das Amt nur kommissarisch innehat.

Die Schaffung per Dekret eines neuen Bundesgerichts, das die Fälle gegen die frühere Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner behandeln sollte, ging dem OGH, der eigentlich als Macri-freundlich galt, schließlich zu weit und er untersagte dies.

Bertuzzi hatte seinerzeit den ehemaligen Vizepräsidenten Amado Boudou in einer umstrittenen Entscheidung verurteilt und wurde kurz darauf befördert. Bruglia hatte kürzlich die Anklage gegen zwei Minister der Regierung Macri wegen Korruption widerrufen.

Für ihre Eingriffe in die Justiz bediente sich die Macri-Regierung des "Mesa Judicial", ein kleiner Kreis von Vertrauten des Präsidenten. Von hier aus soll Druck auf Richter und Staatsanwälte ausgeübt, Prozesse beeinflusst und Verfahren angeschoben worden sein. Richter, deren Urteile nicht gefielen, seien zum Rücktritt gedrängt oder versetzt worden, so die Vorwürfe, zu denen inzwischen eine Untersuchung gegen die Teilnehmer dieser Gruppe läuft.

Die fünf Richter des OGH befinden sich damit zwischen den Stühlen. Bestätigen sie die Rückversetzung, wecken sie den Zorn der Opposition und der dominanten Medienkonzerne. Tun sie es nicht, könnte ihnen ein Bruch der Verfassung vorgehalten werden und ein Amtsenthebungsverfahren begründen, wie mehrere Juristen bereits anmerkten.

Gegen den Vorsitzenden des OGH, Carlos Rosenkrantz, läuft in einer anderen Sache bereits ein Antrag auf Amtsenthebung: Senatorin Vanessa Siley wirft ihm vor, Prozesse wegen Menschenrechtsverletzungen in der Diktatur zu verschleppen. Dabei werden ihm auch Interessenkonflikte vorgeworfen. Rosenkrantz war bereits bei seiner Ernennung durch Macri stark umstritten. Er hatte keine Erfahrung als Richter, sondern war ein bekannter Firmenanwalt etwa der Medienkonzerne Clarín und La Nación sowie Berater mehrerer Investitionsfonds.