Generalstreik in Bolivien wegen Verschiebung der Präsidentschaftswahlen

Massive Mobilisierungen im ganzen Land. Hauptverkehrsstraßen lahmgelegt. UNO und Unternehmerverband rufen zum Dialog auf

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Der Generalstreik in Bolivien, der am Montag wegen der erneuten Verschiebung des Wahltermins begann, hat in vielen Teilen des Landes zu Straßenblockaden geführt
Der Generalstreik in Bolivien, der am Montag wegen der erneuten Verschiebung des Wahltermins begann, hat in vielen Teilen des Landes zu Straßenblockaden geführt

La Paz/Cochabamba. Verschiedene soziale Bewegungen und Gewerkschaften haben mit einem Generalstreik und zahlreichen Straßenblockaden auf die erneute Verschiebung der Präsidentschaftswahlen reagiert. Mehrere Hauptverbindungsrouten des Landes sind blockiert. Die Vereinten Nationen (UN) zeigten sich indes über die Lieferung humanitärer Hilfsgüter besorgt und riefen die politischen Lager zu einer Lösung des Konfliktes auf.

Das Oberste Wahlgericht (Tribunal Supremo Electoral, TSE) hatte vor etwas mehr als einer Woche den Urnengang vom 6. September auf den 18. Oktober verschoben. Das Gericht begründete dies mit den hohen Corona-Infektionszahlen sowie fehlendem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Als Reaktion darauf hatten der Gewerkschaftsdachverband (Central Obrera Boliviana, COB) und der Einheitspakt (Pacto Unidad), ein Zusammenschluss indigener und kleinbäuerlicher Organisationen, dem TSE ein Ultimatum von 72 Stunden gestellt, um am ursprünglichen Wahltermin festzuhalten. Bei Nichteinhaltung kündigten die sozialen Bewegungen für den 3. August einen unbefristeten Generalstreik an. Sie werfen der De-facto-Regierung unter Jeanine Áñez vor, die Pandemie zu nutzen, um sich länger an der Macht zu halten.

Aufgrund der fehlenden Einigung kommt es seit Montag nun zu massiven Mobilisierungen im ganzen Land. Der COB vermeldete tags darauf mehr als 70 Blockaden in sechs Departamentos, vor allem in Cochabamba, Oruro und La Paz, wo die Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) über ein großes Mobilisierungspotential verfügt. Laut der Führungsspitze der COB würden Absprachen getroffen, damit sich auch die Departamentos Tarija, Chuquisaca und Pando dem unbefristeten Generalstreik anschließen. Das Oberste Wahlgericht lud die sieben wichtigsten Protestorganisationen zu einem Treffen ein, um die Durchführung der Wahlen am 18. Oktober zu koordinieren und zu unterstützen.

Die UN-Vertretung in Bolivien wendete sich gestern in einer Pressemeldung an die Protestbewegung. Sie forderte sie dazu auf, den "freien Verkehr humanitärer Hilfslieferungen, wie medizinisches Material, Medikamente und Sauerstoff, zu erlauben". Sie seien dringend notwendig zur Versorgung der Bevölkerung angesichts der Covid19-Pandemie und könnten nun die Blockaden nicht passieren. Auch die COB selbst, das Parlament und Vertreter der De-facto-Regierung hatten zuvor darum gebeten, Transporte mit humanitärer Hilfe passieren zu lassen. In Cochabamba seien an den Blockadepunkten laut den sozialen Aktivisten Vorkehrungen getroffen worden, damit Hilfslieferungen durchgelassen werden.

Innenminister Arturo Murillo warf der Führungsspitze der Protestbewegung vor, Verletzte und Tote in Kauf zu nehmen. "Wir wollen Gewalt verhindern, aber wir werden den Tod von Menschen in den Krankenhäusern aufgrund von Sauerstoffmangel nicht zulassen", so Murillo am Dienstag auf einer Pressekonferenz.

Hingegen riefen die Vereinten Nationen zum Dialog und zur Toleranz auf und appellierten an die Regierung und die sozialen Bewegungen, die "Kontroverse auf friedlichem und institutionellem Weg, im beiderseitigen Einvernehmen und unter Respektierung der Menschenrechte" beizulegen. Sie schließen sich damit dem Nationalen Unternehmerverband an, der am Montag alle politischen Akteure des Landes zu einem "großen Nationalen Dialog" aufrief. Sie sollten ihre Konfrontationen beilegen, um eine Regierbarkeit des Landes zu erlauben und die gesundheitliche und wirtschaftliche Krise des Landes zu lösen.