Proteste in Kolumbien: "Polizei mordet, Armee vergewaltigt, Regierung kollaboriert"

kolumbien.massaker.morde.protest.jpg

Proteste der Afro-Bevölkerung in Cali
Proteste der Afro-Bevölkerung in Cali

black lives matter. kolumbien. protest.polizeigewalt.jpg

Demonstranten fordern Gerechtigkeit für die von den Polizei ermordeten Menschen
Demonstranten fordern Gerechtigkeit für die von den Polizei ermordeten Menschen

Bogotá. Die Sicherheitslage in Kolumbien spitzt sich massiv zu. Nach dem Mord an dem Anwalt Javier Ordóñez mit Elektroschockgeräten durch Polizeikräfte und mehreren Massakern an Jugendlichen, für die ebenfalls staatliche Kräfte verantwortlich gemacht werden, äußert sich die Wut und Verzweiflung der Bevölkerung in erneuten Demonstrationen.

Zuletzt am Sonntag wurden im Department Cauca sieben Jugendliche getötet. Rund 20 junge schwarze Menschen waren in einer Scheune versammelt, als sie mit Handgranaten und Schusswaffen angegriffen wurden. Alle Opfer waren zwischen 16 und 26 Jahren. Neben den sieben Toten gab es mehrere Schwerverletzte.

Am Montag wurden daraufhin in über 80 Städten Proteste gemeldet. Über 140 Versammlungen wurden angemeldet. Pünktlich während der ersten Kundgebungen gaben Pressesprecher des Präsidenten Iván Duque bekannt, dass die für den Mord an Ordóñez verantwortlichen Polizisten verurteilt werden würden. Dies konnte die Proteste allerdings nicht aufhalten.

"Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, dass wir unser Recht auf Meinungsäußerung mit Toten zahlen müssen", rief ein Sprecher der Afro-Bewegung bei einer Kundgebung in Cali mit Blick auf die mindestens 13 ermordeten Demonstrierenden in der letzten Woche.

Seit den frühen Morgenstunden demonstrierten am Montag vor allem in den Großstädten Bogotá, Medellín und Cali erneut breite Bündnisse. Am Nachmittag wurden Banken und Polizeistationen angegriffen und Scheiben von Geschäften eingeworfen. In Bogotá gab es seit dem Nachmittag Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der öffentliche Nahverkehr wurde in einigen Regionen der zehn-Millionen-Stadt ausgesetzt.

Bürgermeisterin Claudia López lud zu friedlichen Demonstrationen ein, wies jedoch jede Form von "Vandalismus" scharf zurück. Die Polizei setzte Tränengas ein. Der Polizeichef von Bogotá hatte seiner Mannschaft den Einsatz von Schusswaffen bei den Demonstrationen verboten.

Schwer bewaffnete Sondereinheiten der Polizei sollten für Ordnung sorgen, so auch in Medellín. Dort griffen Demonstranten die Kommandostelle an. Auch in Pasto lieferten sich vor allem Studierende Straßenschlachten mit der Polizei. In der Karibikstadt Barranquilla entfernten und entwendeten die Teilnehmer Plakate auf denen für Solidarität mit Ex-Präsident Álvaro Uribe geworben wird. Gegen ihn wird zurzeit wegen Bestechung von Zeugen ermittelt und er wird verdächtigt, Paramilitärs befehligt zu haben.

Aus vielen kleineren Städten wurden ebenfalls Proteste gemeldet.

"Die Demonstrierenden haben aus der letzten Woche gelernt und sich sehr mutig zwischen die wenigen Randalierer und die Polizei gestellt", erklärt Alejandro Sánchez, ein Sprecher der Proteste gegenüber amerika21. "Die Polizei mordet, die Armee vergewaltigt und die Regierung kollaboriert und schweigt", so Sánchez. Damit bezieht er sich auf zuletzt bekannt gewordene Fälle von Vergewaltigungen des Militärs, die schon seit Wochen für feministische Proteste sorgen.

Auch die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, kritisierte die Gewalt staatlicher Kräfte gegen die Bevölkerung und kündigte an, die Fälle während der Proteste in der Hauptstadt Bogotá und Soacha genau zu überprüfen. Sie sprach von 13 getöteten Menschen und mehr als 300 Verletzten, darunter 77 mit Schussverletzungen, "durch exzessive Gewaltanwendung". Man habe "technische Hilfe" angeboten, um die Vorfälle "mit einem Menschenrechts- und Demokratieansatz zu behandeln".