Venezuela / Politik

Wie stehen USA und Verbündete zu den Parlamentswahlen in Venezuela?

USA, Länder der Lima- Gruppe, der EU und weitere fordern "inklusive Übergangsregierung". Favorit Guaidó und sein Wahlboykott außen vor

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"Die USA und besorgte Nationen stehen zusammen für demokratischen Wechsel in Venezuela", titelt die Pressemitteilung des US-Außenamtes
"Die USA und besorgte Nationen stehen zusammen für demokratischen Wechsel in Venezuela", titelt die Pressemitteilung des US-Außenamtes

Washington. Die USA haben mit etwa 30 weiteren Staaten als "Gruppe besorgter Länder" eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, die "alle Venezolaner aller ideologischen Tendenzen und Parteizugehörigkeiten" aufruft, für die Einsetzung einer "inklusiven Übergangsregierung" aktiv zu werden. Diese solle "freie und faire Präsidentschaftswahlen" in dem südamerikanischen Land ausrichten.

Die Erklärung folgt anhaltenden Bemühungen der USA, der Europäischen Union und verschiedener lateinamerikanischer Regierungen, die in der sogenannten Lima-Gruppe zusammengeschlossen sind, den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro zu stürzen. Dessen Amtszeit geht bis 2025.

Verfassungsgemäß stehen Ende dieses Jahres nicht Präsidentschafts-, sondern Parlamentswahlen an. Die Regierung Maduro hat sich mit einem Teil der oppositionellen Kräfte auf eine Neuzusammensetzung der Wahlbehörde (CNE) geeinigt, die diese Wahlen auf den 6. Dezember angesetzt hat. Eine Reihe von Bestimmungen soll die Repräsentanz der Bevölkerung verbessern und die politische Polarisierung im Land mildern.

Die extremen Kräfte der Opposition haben bereits einen Boykott der Parlamentswahlen und eine Ablehnung ihrer Ergebnisse verkündet. Die "besorgten Länder" hingegen bezeichnen diese Wahlen "allein" als nicht ausreichend für eine politische Lösung der Krise. Eine ausdrückliche Ablehnung ist in der gemeinsamen Erklärung nicht enthalten.

Der angekündigte Wahlboykott wird offenkundig auch bei strikt gegen die amtierende Regierung eingestellten Kreisen unterschiedlich eingeschätzt. So rief die venezolanische Bischofskonferenz bereits zu einer "massiven Teilnahme an den Wahlen" auf, um "totalitäre Versuche und die Übermacht der Regierung zu besiegen". "Die Nichtteilnahme an den Parlamentswahlen und der Aufruf zur Stimmenthaltung führen zur Demobilisierung, zum Verzicht auf politisches Handeln und zur Weigerung, die eigene Stärke zu zeigen", so die eindeutige Kritik an Positionen, die die Stimmung im Land ignorieren und auf den Druck des Auslands setzen.

Die gemeinsame Erklärung der "Gruppe besorgter Länder" will solchen Druck durchaus aufbauen, indem sie die institutionellen Gegebenheiten im Land übergeht und eine "Erleichterung" der massiven Finanz- und Wirtschaftsblockade gegen Venezuela nur unter selbstdefinierten Bedingungen diskutieren werde. Sie bezieht sich gleichzeitig auf die "Fortschritte, die bei den von Norwegen geführten Gesprächen in Barbados erzielt wurden". Die Vermittlung des skandinavischen Landes solle weiter eine Rolle spielen. Diese Gespräche wurden im August letzten Jahres allerdings kurz vor einer Einigung von der US-Regierung noch zum Scheitern gebracht.

In den Publikationen über die Erklärung wie auch auf der Webseite des US-Außenministeriums ist nicht eindeutig zu finden, wer genau hinter dem Text steht. Es ist von um die 30 Regierungen die Rede, US-Außenminister Mike Pompeo spricht von Mitgliedsländern der Europäischen Union, der Kontaktgruppe und der Lima-Gruppe. Schließlich zählt er namentlich auf: Albanien, Australien, Bahamas, Bolivien, Brasilien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Estland, Georgien, Guatemala, Haiti, Honduras, Ungarn, Israel, Kosovo, Litauen, Lettland, Panama, Paraguay, Peru, Südkorea, Saint Lucia, Ukraine und Großbritannien.

Der Oppositionspolitiker und Vertraute des selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, Julio Borges, schlussfolgerte daraus: "Mit dieser gemeinsamen Erklärung befindet sich zum ersten Mal die gesamte freie Welt in Bezug auf Venezuela auf derselben Seite und fordert einen demokratischen Übergang, der zu freien Präsidentschaftswahlen führt."

Guaidó selbst wird in der Erklärung indes lediglich als "Führer der Nationalversammlung" bezeichnet.

Für seine Regierung äußerte sich Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza nur kurz dazu und bezeichnete sie als "spleenig", "absurd" und "einmischend". Den Chef der US-Diplomatie beschuldigte er, "einer Gruppe von Satellitenregierungen" befohlen zu haben, sie zu unterzeichnen. "Sie glauben nicht an Demokratie", so Arreaza, die Erklärung sei "mit der Absicht geschrieben worden, die Parlamentswahlen in Venezuela zu sabotieren".

Die Regierung von Argentinien nahm eine virtuelle Sitzung der Lima-Gruppe am vergangenen Freitag zum Anlass, ihren Widerspruch zu der Erklärung auszudrücken. Das Land war unter der Präsidentschaft des neoliberalen Präsidenten Mauricio Macri Mitglied der Staatengruppe geworden.

Die Delegation zur Sitzung der Lima-Gruppe erklärte, es sei widersprüchlich, eine politische Lösung durch eine Übergangsregierung zu verlangen, aber nicht die Teilnahme an Wahlen zu fördern, wie sie nach der venezolanischen Verfassung anstünden. Der Versuch einer Gruppe oppositioneller politischer Parteien, den Parlamentswahlen die Legitimität zu nehmen, würde den politisch-gesellschaftlichen Bruch in Venezuela vertiefen und wichtige Teile der Bevölkerung ohne politische Vertretung lassen. Argentinien unterstütze die Durchführung der nächsten Parlamentswahlen im Dezember unter der Maßgabe, dass sie frei, fair und unparteiisch sein müssen und unter Beteiligung aller politischen Parteien und Bewegungen stattfinden, so die Position des zweitgrößten lateinamerikanischen Landes.

Unterdessen hat die venezolanische Wahlbehörde den internationalen diplomatischen Vertretungen in der Hauptstadt Caracas eine Einladung zur Beobachtung der Wahlen im Dezember zugestellt. Die erste Direktorin des CNE, Indira Alfonzo, betonte, dass die Wahlen in jeder ihrer Phasen – in der Vorbereitung, während der Wahlen und der Auszählung – vollständig überprüfbar sein würden. Man sei sich dessen bewusst, was gezeigt werden müsse, und man habe kein Problem damit. Der CNE sei eine demokratische Institution des venezolanischen Volkes, die sich der Welt in Ausübung ihrer demokratischen Berufung zeige, sagte Alfonzo.