Tag der indigenen Völker: Zwischen Pandemie und Gewalt

UNO mahnt prekäre Situation autochthoner Völker in Lateinamerika an. In Peru sterben drei Indigene bei Auseinandersetzungen mit der Polizei

35919332894_f409473cc4_c.jpg

Seit 1994 ist der 9. August "Internationaler Tag der indigenen Völker"
Seit 1994 ist der 9. August "Internationaler Tag der indigenen Völker"

Genf/Lima. Anlässlich des Tages der indigenen Völker am 9. August hat sich die UN-Menschenrechtskommission der Lage indigener Gruppen auf der ganzen Welt gewidmet. Kommissarin Michelle Bachelet betonte in ihrer Ansprache die Notwendigkeit, dass indigenen Völkern ermöglicht werden müsse, ihr Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung auszuüben. Darüber hinaus wies sie auf aktuelle Probleme hin.

Im neuartigen Corona-Virus und umweltlichen Herausforderungen werden dieses Jahr die grundlegendsten Bedrohungen für indigenes Leben gesehen, denn vielen Völkern mangelt es an wichtigen Lebensgrundlagen, wie beispielsweise dem Zugang zu Gesundheitssystemen oder sauberem Wasser. Rassismus und Stigmatisierung verschlimmern die Situation.

Dass Indigene gerade in Lateinamerika und der Karibik von den jeweiligen Regierungen vernachlässigt werden, verstärke bestehende Problematiken und führe zu noch mehr sozialen und ökonomischen Ungleichheiten wie auch vermehrter Diskriminierung, erklärten Vertreter indigener Interessensverbände aus Peru, Brasilien und Mexiko in einer virtuellen Podiumssitzung zur Feier des Gedenktags. Schon seit Langem haben Indigene darüber hinaus mit Beschädigungen und Verschmutzung ihrer Böden und Ländereien durch illegalen Bergbau und Rodungen zu kämpfen. In diesem Kontext sind sie Bedrohungen und Gewalt ausgesetzt, werden von ihren Gebieten vertrieben und bei Widerstand und Verteidigung ihrer Rechte im schlimmsten Fall sogar ermordet.

Die Corona-Krise trifft die indigenen Comunidades besonders hart. In ganz Amerika gelten bisher 70.000 Indigene als von der Pandemie betroffen. Davon leben 23.000 auf 190 Kommunen im Amazonasgebiet verteilt. Über tausend Tote wurden dabei bisher in der Urwald-Region gezählt. Aufgrund ihrer weitgehenden Isolierung von der Außenwelt wird von einer geringen Immunabwehr der Indigenen gegenüber dem neuen Virus ausgegangen. Zunehmende Sterblichkeitsraten verzeichnen hierbei in erster Linie die Länder Brasilien und Peru. Um sich gegen das Coronavirus zu wappnen und eine Weiterverbreitung zu verhindern, ergreifen die indigenen Verbände Lateinamerikas und der Karibik interne Maßnahmen, wie Kampagnen zur Informationsvermittlung in indigener Sprache, Grenzschließungen sowie das Anwerben finanzieller Unterstützung.

"Die Rechte aller indigenen Völker zu verwirklichen, bedeutet, sie in die Bekämpfung des Virus und die darauffolgende Erholungszeit miteinzubeziehen", so der UN-Generalsekretär António Guterres. Die Vereinten Nationen würden weiterhin daran arbeiten, die Inhalte der Deklaration zu den Rechten indigener Völker Wirklichkeit werden zu lassen.

Noch am selben Tag ereignete sich in Peru eine Tragödie: Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei in der Amazonas-Region Loreto kamen drei Mitglieder des Kukama-Volks durch Schüsse ums Leben. 70 Indigene hatten versucht, eine Erdölforderanlage der kanadischen Firma PetroTal in der Gemeinde Bretaña zu besetzen. Die Protestaktion sollte dazu dienen, auf die Vernachlässigung der Gruppe durch die Regierung aufmerksam zu machen. Als sich die Kukama mit ihren traditionellen Lanzen bewaffnet der Förderstation näherten, antworteten die vor Ort stationierten Polizisten mit ihren Schusswaffen. Elf Indigene und sechs Polizisten wurden verletzt.

Die Polizei verteidigte ihr Vorgehen damit, dass sie davon ausgegangen sei, die Protestierenden seien mit Gewehren bewaffnet gewesen. "Als sie auf uns feuerten, begannen wir zu rennen. Wir flüchteten uns in nahegelegene Häuser, bis sie nicht mehr schossen," berichtet Agnita Saboya, Präsidentin der indigenen Frauenorganisation von Marañón, die Ereignisse aus ihrer Perspektive. "Wir hatten nur unsere Lanzen. Sie sind Teil unserer kulturellen Identität".

Die Kommission für indigene Völker des peruanischen Kongress verlangt eine Untersuchungskommission im Fall der drei Getöteten. In einem Schreiben an das Kabinett fordert die Gruppe am Montag, "es dürfe keine Straffreiheit geben".