Chile / Menschenrechte

Hungerstreik in Chile: Mapuche-Gefangene fordern ihre Rechte ein

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Am 27. Juli besetzten Unterstützer der Hungerstreikenden mehrere Sitze von Gemeindeverwaltungen in Südchile, hier in Curacautín
Am 27. Juli besetzten Unterstützer der Hungerstreikenden mehrere Sitze von Gemeindeverwaltungen in Südchile, hier in Curacautín

Temuco. Gefangene aus dem indigenen Volk der Mapuche sind bereits seit Anfang Mai in einem Hungerstreik. Aktuell zählen dazu 27 Personen in den Gefängnissen von Temuco, Ángol und Lebu in den Regionen Araucanía und Bío Bío. Im ganzen Land ist es zu Protesten und Solidaritätsbekundungen gekommen.

Die Streikenden fordern die Umsetzung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), in der die Rechte indigener Völker festgeschrieben sind. Sie behandelt auch Alternativmaßnahmen zum Freiheitsentzug. Artikel 10 der Konvention besagt: "Werden Strafen, die in der allgemeinen Gesetzgebung vorgesehen sind, gegen Angehörige dieser Völker verhängt, so sind deren wirtschaftliche, soziale und kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen." Chile ratifizierte 2008 die ILO-Konvention 169, ein Jahr später trat sie in Kraft. Sie gilt als eines der wichtigsten internationalen Instrumente zur Wahrung indigener Rechte.

Außerdem fordern die Streikenden eine Änderung der Verordnung 518 des Justizministeriums von 1998 über Haftanstalten. Diese entspräche nicht den Menschenrechtsstandards, da sie die Sonderrechte indigener Häftlinge nicht anerkennt.

Der bekannteste unter den Gefangenen ist Celestino Córdova, ein spiritueller Führer und Heiler (machi), wichtig in der Kosmovision und Kultur der Mapuche. Seit dem 22. Juli ist er, nachdem er auch die Aufnahme von Flüssigkeit verweigerte, in besorgniserregendem Gesundheitszustand im Interkulturellen Krankenhaus Nueva Imperial.

Zwei Tage nach der Überstellung fand ein Gespräch zwischen Córdova, dem Justiz-Staatsekretär Sebastián Valenzuela und Christian Alveal, Direktor der Gendarmería Nacional, zuständig für die Strafvollzugsanstalten, statt. Dabei sicherten die beiden Amtsträger zu, gemeinsame Lösungen zu finden. Alveal unterzeichnete eine Entschließung, die indigenen Gefangenen ermöglicht, ihren spirituellen Praktiken nachzugehen und traditionelle Ärzte zu empfangen. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass der Hungerstreik während der Haft nicht als Vergehen geahndet wird.

Córdova nahm nach dem Gespräch wieder Flüssigkeit zu sich, betonte jedoch, dass die Anliegen der Streikenden nur teilweise erfüllt würden. Am selben Tag stellten seine Strafverteidiger einen Antrag beim Berufungsgericht in Temuco, die Strafe in Hausarrest umzuwandeln, damit er seine Haft für die kommenden sechs Monate in seiner Gemeinde ableisten kann. So könne er seiner Funktion als machi nachgehen und sie als kulturelle Instanz während der Covid-19-Pandemie begleiten. Das Gericht lehnte dies jedoch ab.

Celestino Córdova wurde 2014 wegen Mordes am Agrarunternehmer Werner Luchsinger und seiner Ehefrau Vivianne Mackay zu 18 Jahren Haft verurteilt. Sie starben in Folge von Brandstiftung auf ihrem Grundstück im Januar 2013. Der Prozess war wegen der schwierigen Beweislage und der Anwendung des Anti-Terrorgesetzes, das aus Zeiten der Pinochet-Diktatur stammt, stark umstritten.

Der Konflikt zwischen den Mapuche und dem chilenischen Staat bewegt das Land seit langem. Die Mapuche-Aktivisten fordern mehr Autonomie, kritisieren die Ausbreitung von Forstunternehmen in der Region und die zunehmende Militarisierung, während der Staat wachsende Gewalt beklagt. Jorge Rathgeb, Abgeordneter der rechts-konservativen Partei Renovación Nacional (RN), erklärte: "Es geht nicht nur darum, irgendein angestammtes oder angebliches Recht zu beanspruchen, sondern es geht um Gewalt, über ein nachvollziehbares Maß hinaus gibt es hier politische Faktoren, die diese Frage beeinflussen."

Mehrere Menschenrechtsorganisationen zeigen sich besorgt angesichts der gesundheitlichen Lage der Gefangenen und deren Rechten als Indigene. Hernando Silva, Vizedirektor des chilenischen Observatorio Ciudadano, betont: "Die Gesundheitssituation der Streikenden ist sehr ernst, daher ist es dringend notwendig, dass der Staat – Regierung, Justiz und Legislative – den legitimen Forderungen nachkommt, die sich auf das Völkerrecht und die im Zusammenhang mit der Pandemie erforderlichen Maßnahmen stützen." Darüber hinaus kritisieren sie fehlende Vorkehrungen, um die Gefangenen vor einer Infektion zu schützen.