Wie die Corona-Pandemie Regierung und Opposition in Venezuela doch noch eint

Gesundheitsministerium und Parteien der "harten" Opposition unterzeichnen Vereinbarung. PAHO kontrolliert Verwendung der Mittel und warnt vor politischer Vereinnahmung

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Hilft nun Venezuela: Panamerikanische Gesundheitsorganisation mit dem Hauptsitz in Washington, USA
Hilft nun Venezuela: Panamerikanische Gesundheitsorganisation mit dem Hauptsitz in Washington, USA

Caracas. Der venezolanische Kommunikationsminister Jorge Rodríguez hat bekannt gegeben, dass das Gesundheitsministerium und die Parteien der "harten" Opposition, die sogenannte G-4-Allianz, eine Vereinbarung zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie unterzeichnet haben. Man verpflichtet sich darin zu einem koordinierten Vorgehen, um die Krankheitswelle im Land einzudämmen. Außerdem wolle man sich in diesem Rahmen gemeinsam um internationale finanzielle Hilfen bemühen. Die Unterzeichner bitten um technische und administrative Unterstützung durch die Panamerikanische Gesundheitsorganisation PAHO, der regionalen Struktur der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Das Übereinkommen wurde von Carlos Alvarado, dem Gesundheitsminister der Regierung von Präsident Nicolás Maduro, und von Julio Castro, dem Gesundheitsberater des von der Opposition dominierten Parlaments, ratifiziert. Als Zeuge des Vorgangs unterschrieb Dr. Gerardo de Cossio, ein Vertreter der PAHO.

Der Vertragstext legt verschiedene Maßnahmen für eine bessere Handhabe gegen die Pandemie fest. So sollen etwa die öffentlichen und privaten Gesundheitszentren koordiniert zusammenarbeiten. Zudem verpflichten sich beide Seiten, koordiniert nach Finanzierungsquellen zu suchen, um die Notlage aufgrund der Pandemie zu lindern.

Bedeutsam ist die Tatsache, dass sich der harte Kern der venezolanischen Opposition zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen mit der Regierung bereiterklärt hat. Die Parteien, denen auch die Hardliner Juan Guaidó und Leopoldo López sowie Henry Capriles und Julio Borges angehören, hatten bisher jede Zusammenarbeit mit dem "Regime" als Verrat an der eigenen Sache bezeichnet.

Am 3. Juni begrüßte der UN-Generalsekretär António Guterres auf Twitter die Vereinbarung und ermutigte deren Hauptakteure, die Vorgaben mit den Prinzipien des Humanismus, der Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit umzusetzen.

Dem Abkommen gingen mehrere Schritte voraus:

- Bereits Mitte April hatte sich die Regierung Maduro mit der Bitte an das UNO-Entwicklungsprogramm (United Nations Development Programme, UNDP) gewandt, es möge als Vermittler und Verwalter einen Teil des venezolanischen Staatsvermögens übernehmen, das bei der Bank of England in Form von rund 31 Tonnen Goldbarren blockiert worden ist. Angesichts der Pandemie sollte es von einer neutralen Institution für die medizinische und humanitäre Versorgung der Venezolaner verwendet werden;

- Norwegen schlug auf einer im Mai veranstalteten internationalen Spenderkonferenz für Venezuela vor, venezolanisches Staatseigentum, das aufgrund der Sanktionen der USA blockiert ist, für die humanitäre Hilfe zu verwenden;

- Vor dem Handelsgericht in London finden derzeit verschiedene Verfahren statt, um die in England blockierten venezolanischen Gold-Milliarden für humanitäre Zwecke einsetzen zu können;

- Die venezolanische Regierung hatte die Opposition wiederholt scharf kritisiert, weil sie inmitten der Corona-Pandemie an militärischen Angriffen durch Söldnergruppen arbeite, anstatt sich um Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung zu kümmern;

Am 1. Juni kam überraschend der Vertrag zwischen Regierung und Opposition zustande. Die Vereinbarung wirkte sich umgehend auf die Haltung anderer Regierungen aus, die derzeit venezolanische staatliche Gelder blockieren.

Spanien transferierte 2,5 Millionen Euro an die PAHO, die von einem eingefrorenen Konto der Zentralbank Venezuelas bei der spanischen Staatsbank stammen.

"Damit werden Gelder, die den venezolanischen Bürgern gehören, zum Kampf gegen Covid-19 eingesetzt. Eine multilaterale Organisation wird sie gemäß den Prinzipien einsetzen, die bei einer humanitären Hilfe zu respektieren sind", erklärte ein Sprecher der spanischen Regierung, der gleichzeitig dem Wunsch Audruck verlieh, weitere Staaten sollten diesem Beispiel folgen.

So überraschend wie der Vertrag selbst kam die Nachricht, dass für Venezuela bis zu 20 Millionen US-Dollar aus Washington zur Verfügung stehen, je nach Pressemedium variieren hier die Beträge. Laut einem Bericht der nordamerikanischen NGO Human Rights Watch haben verschiedene Oppositionsführer erklärt, das Geld käme aus einem "Fonds zur Befreiung Venezuelas". Die Mittel seien Teil früherer Guthaben der Regierung Maduros, die von der US-Regierung im Ausland blockiert und an die Opposition übergeben wurden. Von Seiten der Opposition wird behauptet, der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó habe diese Gelder erhalten, um sie der PAHO zur Verfügung zu stellen.

Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation verwahrt sich gegen jede politische Vereinnahmung und besteht darauf, dass internationale Protokolle eingehalten werden. Sie hat ihre Beteiligung vom Einverständnis der venezolanischen Regierung abhängig gemacht. Die im Land durchgeführten Maßnahmen müssen im Rahmen der staatlichen Institutionen stattfinden.