"Krieg gegen Drogen": US-Militär im Einsatz in Kolumbien

Brigade der US-Army soll ab Juni operieren. Dauer des Einsatzes und Anzahl der Soldaten unklar. Parlament umgangen. Kritiker befürchten Überfall auf Venezuela

usa_spezialeinheit_nach_kolumbien.jpg

"Berater" der U.S. Security Force Assistance Brigade bei einer Übung in Fort Bragg (Oktober 2018).
"Berater" der U.S. Security Force Assistance Brigade bei einer Übung in Fort Bragg (Oktober 2018).

Washington/Bogotá. Eine Spezialeinheit der US-Armee wird ab Anfang Juni in Kolumbien operieren. Sie soll nach offiziellen Angaben die Streitkräfte des südamerikanischen Landes "beim Kampf gegen den Drogenhandel beraten und unterstützen". Dies geht aus einer gemeinsamen Erklärung der US-Botschaft in Bogotá und des kolumbianischen Verteidigungsministeriums vom Mittwoch hervor.

Der Einsatz erfolgt im Rahmen der verstärkten Operationen zur Drogenbekämpfung, die US-Präsident Donald Trump am 1. April angekündigt hatte. "Weitere Zerstörer, Kriegsschiffe, Flugzeuge und Helikopter, Schiffe der Küstenwache und Überwachungsflugzeuge" sollten ins karibische Meer entsandt und Spezialkräfte am Boden eingesetzt werden, so Trump. Es handelt sich um die größte US-Militäroperation in der Region seit 30 Jahren. Die USA haben ihre militärische Präsenz vor allem vor der Küste Venezuelas seitdem stark ausgebaut. US-Verteidigungsminister Mark Esper erklärte damals: "Korrupte Akteure, wie das illegitime Maduro-Regime in Venezuela, sind auf die Gewinne aus dem Verkauf von Betäubungsmitteln angewiesen, um ihren unterdrückerischen Machterhalt zu sichern".

Die Ankündigung Trumps erfolgte knapp eine Woche, nachdem die US-Justizbehörden den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro und weitere führende Politiker des Landes wegen angeblicher Verwicklung in Drogengeschäfte und Geldwäsche verklagt hatten. Die US-Regierung setzte zudem ein Kopfgeld von 15 Millionen US-Dollar für Hinweise oder Handlungen aus, die zur Ergreifung Maduros führen.

Laut US-Botschaft arbeitet die 2018 aufgebaute Spezialeinheit (1st U.S. Security Force Assistance Brigade, SFAB) zum ersten Mal mit einem lateinamerikanischen Land zusammen. Dieses Engagement der USA solle die Beziehung zu ihrem "engsten Verbündeten und Freund in der Region" bekräftigen. Admiral Craig Faller, Oberbefehlshaber des US-Südkommandos (Southcom), sagte: "Die SFAB-Mission in Kolumbien ist eine Gelegenheit, unsere gegenseitige Verpflichtung zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Unterstützung des regionalen Friedens und der Achtung der Souveränität unter Beweis zu stellen." Der Einsatz ist laut einer Pressemitteilung des Southcom zeitlich nicht begrenzt.

Die Truppe werde sich vor allem auf Gebiete im Bajo Cauca, Córdoba, Nariño, auf die Nationalparks Chiribiquete, Sierra de La Macarena, Nudo de Paramillo und Sanquianga konzentrieren sowie auf die in der Grenzregion zu Venezuela gelegenen Gebiete Catatumbo, Bari und Arauca. Das Ziel der Mission sei es, "gemeinsame Ideale und Werte zu verteidigen", so Faller. Brigadegeneral Scott Jackson, Kommandeur der 1. SFAB, führte weiter aus: "Wir helfen unseren Partnern bei der Entwicklung von Sicherheitskapazitäten, damit sie anhaltenden Druck auf gewalttätige extremistische Organisationen ausüben und für die Sicherheit ihrer Nation sorgen können, während sie uns gleichzeitig helfen, den Bedrohungen für die USA zu entgegenzutreten."

Der Einsatz der US-Armee wird indes in Kolumbien stark kritisiert. Der Zusammenschluss linker Gruppen Congreso de los Pueblos erklärte, dies sei "ein schwerwiegender Angriff auf die nationale Souveränität". Die Zulassung von US-Truppen auf kolumbianischem Territorium mache das Land zu einer "Plattform der Aggression" und verschärfe die Spannungen mit Venezuela.

Abgeordnete verschiedener Parteien stellten den Zweck des Einsatzes infrage und monierten, dass die Regierung das Parlament vorab nicht um Autorisierung ersucht hatte.

So kritisierte Antonio Sanguino (Grüne-Partei), die Soldaten der Sondereinheit seien "keine Engelchen" und eine Zustimmung der Abgeordneten wäre erforderlich gewesen. Zudem verlangte er konkrete Angaben: Es sei unklar, wieviele "Spezialisten" kämen, Zahlen von 53 bis zu 800 Mann kursierten. Die geplante Präsenz der Truppe vor allem in den Grenzgebieten werde "die diplomatischen Spannungen mit Venezuela erhöhen", sagte Sanguino.

Die Farc-Partei wirft Präsident Iván Duque vor, ohne die Zustimmung des Kongresses US-Operationen auf kolumbianischem Boden zuzulassen, die sich gegen einheimische Bauern und das venezolanische Volk richteten. Die Partei ruft "die demokratischen und Friedenskräfte auf", gegen Destabilisierung und Gewalt in der Region zu mobilisieren.

Der linksgerichtete Senator Gustavo Petro twitterte: "Das Offensichtliche lässt sich nicht verbergen: Eine Invasion in Venezuela ist in Vorbereitung", und dies geschehe "mithilfe des Drogenhandels". Deutlich wurde auch Senator Armando Benedetti von der Sozialen Partei der Nationalen Einheit: "Admiral Craig sagte im März, dass seine Mission darin bestehe, Maduro wegen Drogenhandels festzunehmen. Heute sind seine Truppen auf dem Weg, und es ist mir egal, ob sie ihn gefangen nehmen oder nicht, aber verwickelt unser Land nicht in den Krieg eines anderen. Sollen sie weitermachen, wenn sie wollen, aber nicht von hier aus."

Kritik kam auch vom Präsidenten des Kongresses, Lidio García (Liberale Partei). Über seinen Twitter-Account erinnerte er Duque "bei allem Respekt" daran, dass es eine "verfassungsmäßige Aufgabe des Senats ist, den Transit ausländischer Truppen auf kolumbianischem Territorium zuzulassen".

Dagegen argumentiert die Regierungspartei Duques im Kongress mit dem "Gewohnheitsrecht". "Wir arbeiten seit Jahrzehnten mit US-Truppen zusammen", begründet die Abgeordnete des Centro Democrático, Paola Holguín.

Präsident Duque hat sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2020 130.000 Hektar Koka zu vernichten. Verteidigungsminister Carlos Holmes Trujillo und der Generalkommandeur der Streitkräfte, General Luis Fernando Navarro, erklärten ihrerseits, dass der Kampf gegen den Drogenhandel eine gemeinsame Priorität mit den USA darstelle. Dieser sei "einer der Hauptmotoren der Gewalt, die die Gemeinden und die Aktivisten trifft".

Kolumbien verzeichnet laut Office of National Drug Control Policy des Weißen Hauses im vergangenen Jahr mit 212.000 Hektar Koka-Anbau einen leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Die Kapazität zur Herstellung von Kokain sei von 879 Tonnen im Jahr 2018 auf 951 Tonnen angestiegen. DIe USA sind indes Hauptabnehmer des Kokains. Weltweit gilt Kolumbien als größer Produzent, die USA als größer Konsument.

Bogotá und Washington arbeiten derzeit an einem Plan, den Anbau von Koka und die Produktionskapazität für Kokain bis Ende 2023 um 50 Prozent abzubauen. Dazu werden Soldaten und die Wiederaufnahme der heftig umstrittenen großflächigen Besprühungen mit dem Herbizid Glyphosat aus der Luft eingesetzt.

Dem entgegen mehren sich Stimmen, die das im Friedensabkommen mit den Farc-EP vereinbarte freiwillige Substitutionsprogramm umsetzen wollen. Zudem kommen immer mehr Vorschläge für einen Paradigmenwechsel hin zu einer staatlichen Regulierung der Drogen.