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Corona-Paket in Peru: "Rettung" der Unternehmen auf Kosten der Armen?

Firmen dürfen Lohnzahlungen für Angestellte mit befristeten Verträgen bis zu 90 Tagen aussetzen. Verlust von Millionen Arbeitsplätzen droht

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Die Präsidentin des Unternehmerverbandes, María Isabel León de Céspedes, und Staatspräsident Martín Vizcarra. Gewerkschaften kritisieren den Pakt zwischen Regierung und Unternehmern
Die Präsidentin des Unternehmerverbandes, María Isabel León de Céspedes, und Staatspräsident Martín Vizcarra. Gewerkschaften kritisieren den Pakt zwischen Regierung und Unternehmern

Lima. Auch die peruanische Regierung schnürt "Rettungspakete" für die Wirtschaft, um die kommende ökonomische Krise aufgrund der Covid-19-Pandemie abzuschwächen. Für ihren Umgang mit der Pandemie im eigenen Land erhielten Präsident Martín Vizcarra und seine Regierung bislang viel Lob. Doch eine neue Maßnahme könnte Millionen Arbeitsplätze vernichten und die ohnehin schon angespannte soziale Situation verschärfen. Es entwickelt sich eine Debatte um die angemessene sozial- und wirtschaftspolitische Reaktion auf die Krise.

Was das medizinische Krisenmanagement angeht, läuft während der Pandemie noch alles nach Plan: Das Ziel von 10.000 Corona-Tests täglich wurde mittlerweile erreicht, womit Peru in Lateinamerika nach Venezuela an zweiter Stelle steht.

Auch äußerte sich der Planungsbeauftragte des Gesundheitsministeriums, Farid Matuk, optimistisch, dass die Spitze an Infektionen in der letzten April-Woche erreicht werden könnte. So wäre eine Überlastung der Gesundheitssysteme abgewendet.

Was die Abfederung der wirtschaftlichen Krisen angeht, machte die Regierung Vizcarra aus der Sicht von Ökonomen bislang vieles richtig. Es soll das größte Rettungspaket der Region umgesetzt werden – im Umfang von etwa zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Kleinen und großen Firmen in Not sollen großzügige Kredite gewährt werden, Schuldendienste für Unternehmen und Privatpersonen wurden suspendiert. An bedürftige Familien zahlt die Regierung einen Bonus von umgerechnet knapp 100 Euro. Zudem werden nun rund weitere 200 Euro als zinslose Kredite an Menschen ausgezahlt, die aufgrund der Ausgangssperre ihren Arbeitsplatz verloren haben.

"Wir haben jetzt Spielraum, das zu investieren, was wir in 30 Jahren durch fiskalische Disziplin gespart haben“, kommentiert der Ökonom Hugo Ñopo die Situation.

Eine Hauptakteurin bei den täglichen Pressekonferenzen zur Corona-Krise ist Wirtschafts- und Finanzministerin María Antonieta Alva. Die 35-jährige Harvard-Absolventin überrascht viele durch ihren Pragmatismus. "Unsere Priorität ist es, dafür zu sorgen, dass wir keine Arbeitsplätze verlieren", betont Alva. Dieser Tage plant sie bereits, wie ein langsames Hochfahren der Wirtschaft aussehen könnte, sofern es die medizinische Lage zulässt.

Dennoch ist die Frage nach der Art und Weise, wie Arbeitsplätze gesichert werden können, höchst umstritten und wird von Gewerkschaften massiv kritisiert. So erließ die Regierung am Montag ein Dekret, das viele Arbeitnehmer hart treffen wird: Den Unternehmen wird gestattet, Lohnzahlungen für Angestellte mit befristeten Verträgen bis zu 90 Tagen auszusetzen. Da viele Arbeitsverträge nur für einige Monate geschlossen werden, bedeutet dies effektiv die sofortige Kündigung für Millionen Angestellte.

Das Dekret erfolgte auf eine Initiative des Arbeitgeberverbandes Confiep.

Gewerkschaftsführerin Lorena Chavera kritisiert das Zusammenspiel von Regierung und Unternehmen: "Die großen Konzerne profitieren von der Not der Pandemie, um ihre Angestellten loszuwerden, die jahrelang für sie geschuftet haben."

Eine weitere umstrittene Maßnahme war die vorzeitige Auflösung von Pensionsfonds, damit Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, die Quarantäne-Zeit finanziell überbrücken können. Die Privatfirmen, die diese Fonds verwalten, warnen vor einer Liquiditätskrise. Des Weiteren drohe bei einem plötzlichen Verkauf der Anlagen ein massiver Wertverlust. Hatte Vizcarras Regierung zunächst noch die Auszahlungen auf kleine Beträge gedeckelt, setzte der Kongress eine Änderung durch, die eine Auszahlung von 25 Prozent des gesamten Fonds ermöglicht.

Laut Beobachtern rächt sich nun die wirtschaftsliberale Politik der letzten Jahrzehnte. Aus Sicht des Volkswirts Pedro Francke zeigt das private Rentensystem spätestens jetzt seine massiven Schwächen. "Ich sage schon lange, dass das System der Pensionsfonds schlecht ist. Es ist zwischen nur vier Anbietern monopolisiert, die dazu noch überhöhte Kommissionen verlangen. Wir brauchen ein neues Rentensystem", so Francke.

Das Gesundheitssystem, das größtenteils privatisiert ist, erweist sich ebenfalls als krisenuntauglich – auch nach Ansicht des neuen Gesundheitsministers Víctor Zamora. Der eigens für die Corona-Krise zum Minister ernannte Arzt warnte: "Nie wieder darf ein Gegner wie Covid-19 auf ein Peru mit einem schwachen Gesundheitssystem treffen!"