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Regierung in Venezuela beschlagnahmt Einrichtungen von US-Multi AT&T

Wegen drohender Sanktionen hatte der Konzern die Tochtergesellschaft DirecTV geschlossen. Mehr als zwei Millionen Haushalte betroffen

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Soldaten bewachen den Eingang der Hauptgeschäftsstelle von DirevTV im Einkaufszentruml Paseo Las Mercedes
Soldaten bewachen den Eingang der Hauptgeschäftsstelle von DirevTV im Einkaufszentruml Paseo Las Mercedes

Caracas. Die Regierung von Venezuela hat begonnen, Vermögenswerte des US-Telekommunikationskonzerns AT&T zu konfiszieren. Das Unternehmen hatte vergangene Woche seine Tochtergesellschaft DirecTV geschlossen, um drohenden US-Sanktionen zu entgehen. Davon betroffen sind mehr als zwei Millionen Haushalte und 600 Angestellte.

Der Fernsehsatellitenbetreiber DirecTV hatte einen Marktanteil von rund 46 Prozent und bot 300 Kanäle an. Die Regierung von Präsident Nicolás Maduro will ihn nun wieder in Betrieb nehmen.

Mindestens drei Einrichtungen des multinationalen Unternehmens in Caracas sind am Wochenende laut Medienberichten von der staatlichen Kommunikationsbehörde Conatel und den Bolivarischen Streitkräften besetzt worden, darunter das Übertragungszentrum in Los Caobos, der Verwaltungssitz in El Rosal und die Hauptgeschäftsstelle in Las Mercedes.

Die Aktionen folgten einem Urteil der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs zugunsten der Verbraucherrechtsgruppe "Nutzerfront zur Verteidigung der Kommunikationsrechte" vom Freitag. Conatel wurde autorisiert, die Kontrolle über "Eigentum und Güter, Handelsbüros, Verwaltungshauptquartiere, Betriebs- und Übertragungszentren, Antennen und alle anderen Geräte oder Einrichtungen" des in Texas ansässigen Konzerns zu übernehmen. Die Kammer ordnete zudem die sofortige Wiederherstellung des Fernsehdienstes sowie den "Schutz der MItarbeiterrechte" an.

Zugleich soll ein neuer Ad-hoc-Ausschuss ernannt werden, dem Conatel-Generaldirektor Jorge Márquez vorstehen soll. Der Brigadegeneral der Nationalgarde ist Präsidialminister und wurde 2017 von Washington sanktioniert.

Zusätzlich hat das Oberste Gericht ein Reiseverbot für die ehemaligen Chefs von DirecTV verhängt und ihre gesamten Vermögenswerte eingefroren. Die Bankenaufsichtsbehörde Sudeban wurde angewiesen, alle Kundenzahlungen, die seit der Unterbrechung des Dienstes getätigt wurden, gutzuschreiben.

Der Fernsehsatellitenbetreiber hatte am Donnerstag vergangener Woche die Schließung von DirecTV bekannt gegeben und sich dabei auf einen "rechtlichen Widerspruch" berufen, der sich aus der "Unmöglichkeit, sowohl dem venezolanischen Recht als auch den US-Sanktionen nachzukommen", ergebe.

Die venezolanische Gesetzgebung schreibt vor, dass Kabel- und Satellitenanbieter verpflichtet sind, acht Prozent ihres Gesamtprogramms landesweit ausgestrahlten Kanälen zur Verfügung zu stellen, einschließlich des staatlichen Fernsehens PDVSA TV und des Privatsenders Globovision, die beide von den USA mit Sanktionen belegt wurden.

AT&T kündigte an, sich mit sofortiger Wirkung aus Venezuela zurückzuziehen, um Strafmaßnahmen des US-Finanzministeriums zu vermeiden. Die Entscheidung wurde offenbar ohne Rücksprache mit dem lokalen Management getroffen.

Präsident Maduro machte indes Oppositionsführer Juan Guaidó mitverantwortlich für die Schließung und behauptete, dieser habe mit Washington zusammen Druck auf DirecTV ausgeübt, um "das Recht der Menschen auf Information und Unterhaltung zu beseitigen". Im März hatte Maduro allen Telekommunikationsunternehmen und anderen Dienstleistungsanbietern als Teil einer Reihe von Schutzmaßnahmen während des Covid-19-Lockdowns verboten, während sechs Monaten Kunden vom Service abzuschneiden.

Guaidó konterte, der Schritt von AT&T sei eher der "Zensur" als US-Sanktionen geschuldet. Die Erklärung des Konzerns erwähnt dagegen keinen Druck von Seiten der Regierung. Sein Team "kämpfe" darum, den TV-Dienst durch Umleitung aus dem Ausland zu reaktivieren, erklärte Guaidó. Dies würde die Dienstleistung jedoch deutlich verteuern.

Analysten haben unterschiedlich auf die Beschlagnahmungen durch Conatel reagiert. Einige bezeichneten sie als "symbolisch", andere wiesen auf die Problematik hin, die sich aus der Tatsache ergibt, dass ein Ad-hoc-Gremium unter Leitung eines sanktionierten venezolanischen Funktionärs einen Dienst reaktiviert hat, der Fernsehkanäle, Satelliten und technologische Infrastruktur unter Vertrag nimmt, die sich im Besitz der USA befinden und dort angesiedelt sind.

Das Thema hat die Schlagzeilen beherrscht, während Millionen Menschen aufgrund der Corona-Quarantäne-Vorschriften die elfte Woche zuhause verbringen.

Am vergangenen Sonntag wurden 111 neue Infektionen bestätigt, 93 davon betreffen Venezolaner, die aus Kolumbien oder Brasilien in ihr Land zurückgekehrt sind. Die Regierung hat daraufhin beschlossen, die "Quarantäne-Camps" in den Grenzgebieten auszubauen, wo Rückkehrer sich für 14 Tage aufhalten müssen.

Trotz des jüngsten Anstiegs der Infektionen prüft die Regierung eine Lockerung des Lockdowns. Präsident Maduro erklärte am Dienstag, man arbeite an einem Plan zur Flexibilisierung der Quarantäne für den Industrie- und Handelssektor des Landes, der ab kommenden Montag umgesetzt werden soll.

Nach offiziellen Angaben gibt es derzeit in Venezuela 1.245 bestätigte Corona-Fälle. 302 Menschen sind genesen, elf starben an oder mit dem Virus. 865.367 Tests seien durchgeführt worden, so Maduro am Dienstag.