Corona in El Salvador: Hunger und Repression nehmen zu, Präsident missachtet Parlament

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Warten auf Lebensmittel vor einem Verteilungszentrum des Landwirtschaftsministeriums in Alegría, Usulután
Warten auf Lebensmittel vor einem Verteilungszentrum des Landwirtschaftsministeriums in Alegría, Usulután

San Salvador. Der Oberste Gerichtshof von El Salvador hat am Freitag beschlossen, dass der seit 14. März andauernde Ausnahmezustand bis zum 29. Mai fortgesetzt wird.

Zuvor hatte Präsident Nayib Bukele die vom Parlament verordnete Ausgangssperre eigenmächtig um weitere vier Wochen verlängert, nachdem sie am 16.Mai beendet war. Die Abgeordneten hatten dies mit der Begründung verweigert, dass bei der Durchführung einer obligatorischen Hausquarantäne Menschenrechtsverletzungen begangen würden. Die Verfassungskammer hob dieses Dekret Bukeles jedoch als verfassungswidrig auf, da der Präsident seine Befugnis überschritten habe.

Gleichzeitig mit der Entscheidung vom Freitag forderte der Oberste Gerichtshof Regierung und Parlament auf, ihre "verfassungsmäßigen Verpflichtungen" einzuhalten und den notwendigen Konsens für die Schaffung von Regelungen zu suchen, die die Grundrechte der Bevölkerung während der Corona-Pandemie wahren.

Das UN-Generalsekretariat hatte unlängst angemahnt, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus rechtmäßig und angemessen sein müssen und die Freiheiten der Menschen so wenig wie irgend möglich beeinträchtigen dürfen.

In dem mittelamerikanischen Land gehen unterdessen die Verhaftungen all derjenigen unvermindert weiter, die aus Not gegen die Ausgangssperre verstoßen.

Nach Angaben von Amnesty International wurden in der Zeit zwischen Mitte März und Mitte Mai 2.424 Personen festgenommen und in einem "Auffangzentrum" untergebracht, nur weil sie etwas zu essen oder Medikamente einkaufen wollten. Die Hygienemöglichkeiten, die in diesen Zentren geboten werden, seien in keiner Weise angemessen, um eine Infektion mit Covid-19 zu verhindern, sollte eine der Personen tatsächlich infiziert sein. Teilweise würden Menschen wesentlich länger als angemessen dort festgehalten, ohne Tests, ohne Kontakte zu ihren Familien.

Bukele habe auch dazu beigetragen, die Situation in den Gefängnissen zu verschärfen, indem er die Zusammenlegung inhaftierter Bandenmitglieder in ohnehin überfüllte Haftanstalten anordnete. Er selbst hatte Ende April Fotos von auf engstem Raum zusammengepferchten Gefangenen ohne Schutzmaßnahmen veröffentlicht, die weltweit durch die Medien gingen.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen wandten sich am 30. April in einem offenen Brief an Bukele und kritisierten die repressiven Maßnahmen bei Verstößen gegen die Ausgangssperre, die zahlreichen Berichte über extreme Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte, die verbalen Angriffe des Präsidenten gegenüber Journalisten und Menschenrechtsaktivisten in den sozialen Medien und die erklärte Nichtbeachtung von Entscheidungen des Parlamentes und der Verfassungskammer. Auch Mitglieder des US-Kongresses verurteilen den Machtmißbrauch im Land.

Bei der Menschenrechtsbehörde in El Salvador sind bis zum 13. Mai bereits mehr als 1.500 Anzeigen im Zusammenhang mit der Ausgangssperre eingegangen.

Mitte Mai verschärfte Bukele die Ausnahmeregelungen noch weiter: Große Lebensmittelmärkte haben geschlossen, der informelle Sektor – Haupteinnahmequelle für viele Salvadorianer – mit Straßenverkäufen auch von Mahlzeiten ist lahmgelegt, das Betreten des Hauptstadtzentrums nur nach Militärkontrollen und ausnahmsweise möglich. Unterstützungszahlungen an die Bevölkerung, die er versprochen hatte, sind inzwischen mangels Ressourcen wieder eingestellt und durch Essenspakete alle 14 Tage ersetzt worden, wenn sie denn ankommen. Menschen hungern, an vielen Häusern hängen weiße Tücher als Hinweis darauf, dass Hilfe benötigt wird.

Trotz aller Repression rührt sich Widerstand ‒ mit Hupkonzerten und Töpfeschlagen jeden Abend ab 20 Uhr.

Am 23. Mai wurden aus El Salvador 1.819 Infektionen mit dem Corona-Virus gemeldet, davon 33 Todesfälle und 570 Genesene.