Lateinamerika / Politik

Lateinamerika: Puebla-Gruppe fordert Schuldenschnitt und Ende der US-Sanktionspolitik

Konferenz unter dem Motto "Die Einheit ist der Weg". Frieden, Wirtschaft und Corona-Pandemie auf der Tagesordnung

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Auch die 5. Konferenz der Puebla-Gruppe musste aufgrund der Corona-Pandemie virtuell stattfinden
Auch die 5. Konferenz der Puebla-Gruppe musste aufgrund der Corona-Pandemie virtuell stattfinden

São Paulo. Die Puebla-Gruppe ist erneut bei einer virtuellen Konferenz quer durch Lateinamerika zusammengekommen.

An dem von São Paulo aus koordinierten fünften Treffen der Gruppe nahmen fortschrittliche Politikerinnen und Politiker aus vierzehn Regionalstaaten teil. Darunter auch Argentiniens amtierender Präsident Alberto Fernández. Aus Brasilien meldeten sich Luiz Inácio Lula da Silva und Dilma Rousseff zu Wort. Außerdem sprachen die ehemaligen Präsident Evo Morales (Bolivien, im Exil in Argentinien), Rafael Correa (Ecuador, im Exil in Belgien), Fernando Lugo (Paraguay), José Mujica (Uruguay) und Ernesto Samper (Kolumbien).

Das Forum war im Juli 2019 beim "Ersten Internationalen Treffen der fortschrittlichen Führungskräfte" in der mexikanischen Stadt Puebla gegründet worden.

Zur Video-Konferenz am 15. Mai waren der US-amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz und die Exekutivsekretärin der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik, Alicia Bárcena Ibarra, eingeladen. Ebenso der frühere Ministerpräsident Spaniens, José Luis Zapatero, und eine Gruppe von 30 Persönlichkeiten aus Kolumbien, darunter Parlamentarier, Akademiker und Vertreter sozialer Organisationen.

Zapatero, forderte auf der Konferenz eine „humanitäre Pause“ bei den von den USA gegen Venezuela und Kuba verhängten Wirtschaftsblockaden, damit diese beiden Länder mit mehr Ressourcen der Coronavirus-Pandemie begegnen können. Die USA hätten dies bislang verweigert, kritisierte Zapatero, und die internationale Unterstützung für diese Forderung sei bisher noch zu schwach.

Die Puebla-Gruppe hatte bereits Ende März Vorschläge für eine internationale Solidarität angesichts der Corona-Pandemie unterstützt, die der argentinische Präsident Fernández auf dem virtuellen G20-Gipfel vortrug. Er rief dazu auf, die Solidarität zu globalisieren, Sanktionen zu beenden, die nicht bezahlbaren Auslandsschulden von verarmten Ländern des globalen Südens auszusetzen und einen weltweiten humanitären Notfall-Fonds einzurichten.

Diese Forderung nach einem internationalen Schuldenmoratorium wurde auf der jetzigen Konferenz erneut von allen Beteiligten unterstützt. Man einigte sich darauf, die UNO zu einer Sondersitzung der Generalversammlung über die weltweiten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie aufzurufen und in diesem Rahmen der Forderung Nachdruck zu verleihen. Es müsse gewährleistet werden, dass arme Staaten ihre geringen finanziellen Ressourcen auf die medizinische Versorgung und Ernährung der Bevölkerung konzentrieren können.

Die Pandemie mache deutlich, dass die mangelnden Investitionen in den öffentlichen Gesundheitssystemen globale Auswirkungen habe. Wenn diese lokal nicht effektiv eingedämmt werden können, führten sie über die Grenzen hinweg zu Katastrophen.

Fernández betonte zudem die Notwendigkeit, trotz ideologischer Unterschiede regional zusammenzuarbeiten: “Wir können es uns nicht leisten, untereinander Differenzen zu haben und sie nicht aufzulösen, denn diese Konflikte nutzen denjenigen, die unseren Völkern am meisten schaden können. In einem Kontinent mit den größten sozialen Unterschieden zu leben, muss uns alle schmerzen. Es ist ein falsches Dilemma, zwischen einer offenen Wirtschaft oder der Gesundheit wählen zu müssen.”

Auch der Ökonom Joseph Stiglitz unterstützte das Konzept einer stärkeren regionalen Zusammenarbeit und den Aufbau von stabilen, langfristig angelegten Wirtschaftsstrukturen. Dieses Ziel sei nur zu erreichen, wenn der Klimawandel als zentrales Thema der Entwicklung miteinbezogen werde. Er forderte, dass das Recht auf eine minimale Lebensgrundlage durch Programme wie die Grundrente anerkannt werden müsse, um in Zeiten der Quarantäne überleben zu können. Die Gesundheit müsse den Rang eines globalen öffentlichen Gutes erhalten.

Auch Ernesto Samper betonte in seinem Redebeitrag den wirtschaftlichen Aspekt der Krise: “Wir können nach der Pandemie nicht zum gleichen Modell zurückkehren. Wir müssen einen anderen Mechanismus entwerfen, der es uns ermöglicht, mit einer alternativen Agenda die Zukunft anzugehen.”

Brasiliens Ex-Präsident Dilma Rousseff betonte, dass die Sozialpolitik nicht den Marktmechanismen überlassen werden dürfe. Der Staat müsse gesellschaftlich eingreifen und regulierend handeln.

Das Thema des fast gescheiterten Friedensabkommens in Kolumbien bildete einen weiteren Schwerpunkt auf der Puebla-Konferenz. Selbst die Corona-Pandemie mit den entsprechenden Quarantänemaßnahmen hat das Morden an ehemaligen Farc-Mitgliedern und an sozialen und Menschenrechtsaktivisten nicht unterbrochen. Im Gegenteil, die Opfer sind durch die soziale Isolation noch schutzloser ausgeliefert.

Der frühere Präsident Uruguays, José Mujica, kritisierte, dass ein fehlgeschlagener Friedensprozess Auswirkungen auf ganz Lateinamerika hat. Man könne nun den Krieg in seinen verschiedenen Formen in der Region nicht mehr ausschließen. Zum wiederholten Mal habe eine Regierung Kolumbiens einen Friedensvertrag nicht eingehalten. Diese Niederlage stelle Friedensprozesse weltweit in Frage.

Die Puebla-Gruppe drückt in ihrer Abschlusserklärung die Besorgnis über die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien aus und fordert die kolumbianische Regierung auf, den Dialog mit der ELN wieder aufzunehmen.