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Kolumbien: Über 350 korrupte Militärangehörige durch Geheimoperation entdeckt

Whistleblower: Militär ist ein "mafiöses System". Geschäfte mit Drogenbanden und Paramilitärs. Spionage gegen Journalisten und Aktivisten

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Die Streitkräfte Kolumbiens  ‒ laut einem Whistleblower ein "mafiöses System"
Die Streitkräfte Kolumbiens ‒ laut einem Whistleblower ein "mafiöses System"

Bogotá. Das politische Wochenmagazin Semana in Kolumbien hat eine geheimdienstliche Ermittlung innerhalb der Armee namens "Operation Kommandostab" enthüllt, die korrupten Militärangehörigen seit 2017 nachgespürt hat. Das Ergebnis: 16 Generale, 218 Offiziere und 122 Unteroffiziere, die Geld der Armee veruntreut oder Informationen und Logistik an paramilitärische Drogenorganisationen verkauft haben.

Die Korruptionsbekämpfung beim Militär war eine der Bedingungen der Nato für den Beitritt Kolumbiens zu dieser Organisation im Jahr 2018.

Die Geheimoperation wurde allerdings 2019 abgebrochen, nachdem Präsident Iván Duque die Militärführung ausgetauscht hatte. Unter dem neuen Kommandeur der Armee, Nicacio Martínez, startete der Geheimdienst des Militärs eine regelrechte Jagdkampagne unter anderem gegen die Informanten und Unterstützer der "Operation Kommandostab".

Zu den Entdeckungen der Operation gehört ein Netzwerk von einem General und zwölf Offizieren, die die paramilitärische Drogenorganisation "Golf-Klan" (Clan del Golfo) in den Departamentos Valle, Cauca und Nariño unterstützt hat. Eine Offiziersgruppe, auch von einem General angeführt, hat Waffen und Waffenscheine an die kriminelle Medelliner Organisation "Envigado-Büro" (Oficina de Envigado) verkauft. Erkenntnisse wie diese landeten in den Schubladen der Staatsanwaltschaft ohne Strafverfolgung.

Ein weiterer Skandal in den Medien war die Entüllung eines illegalen Profilings von mindestens 130 Personen durch den militärischen Geheimdienst, das zwischen Februar und Dezember 2019 stattfand und von Semana vor zwei Wochen bekannt gemacht wurde. Die Opfer waren kolumbianische und US-amerikanische Journalisten, Menschenrechtler und Politiker, manche von ihnen wurden außerdem abgehört.

Abgesehen von den üblichen linken Organisationen und Oppositionellen, die mehrmals überwacht worden sind, hat das kolumbianische Militär US-Journalisten ausspioniert, die Whistleblower der Streitkräfte kontaktiert oder Guerilla-Kommandanten interviewt hatten. Andere waren Lateinamerika-Korrespondenten von Zeitungen wie The Wall Street Journal, Time und The New York Times. Der Leiter von Human Rights Watch für Lateinamerika, José Vivanco, wurde ebenfalls überwacht. Sogar der Ex-Regierungssekretär von Duque, Jorge Mario Eastman, stand unter Überwachung. Der Geheimdienst hielt ihn für eine Quelle der Medien zu heiklen internen Themen.

Diese Überwachungen hat eine Einheit des Nachrichtendienstes durchgeführt, die mit 400.000 US.Dollar vom US-Auslandsgeheimdienst CIA jährlich mitfinanziert wurde. Ein Whistleblower der Einheit sagte, dass einige Militärs falsche Rechnungen an die CIA eingereicht, Teiel des Geldes für sich genommen und den Rest in Software für diese "Sonderarbeiten" investiert haben. Ziel der Einheit sollten ursprünglich "Terrororganisationen und der Drogenhandel" sein. Den US-Amerikanern gefiele es gar nicht, dass Gelder von ihnen gegen Journalisten wichtiger Medien ihres eigenen Landes verwendet wurden. "Das bringt Ärger", sagte der Whistleblower.

Tatsächlich mahnte US-Senator Patrick Leahy, dass die Beteiligten bestraft werden sollten. Nun wurde General Eduardo Quiroz, Chef des militärischen Geheimdienstes, neben elf anderen Offizieren abgesetzt. Quiroz tauchte bereits in früheren Enthüllungen von Semana auf. Er soll die Verfolgungskampagne gegen Ermittler der "Operation Kommandostab" sowie gegen Whistleblower vorangetrieben haben, die den Medien über die wiederkehrende Militärpolitik der illegalen Hinrichtungen berichteten. Dazu gehörten Entlassungen, Versetzungen und Todesdrohungen, die in den letzten Monaten zum Skandal wurden und derentwegen General Martínez im Dezember die Armee verlassen musste.

Die Stiftung für die Freie Presse (Flip) beklagte jedoch, dass die Entlassung der elf Offiziere nicht genug sei. Die Armee habe wichtige Fragen noch nicht beantwortet. Zum Beispiel, wer das Profiling angeordnet hat und wofür, welche politischen und militärischen Instanzen mit den gesammelten Informationen zu tun haben und was die Armee genau unternehmen wird, um zu vermeiden, dass sich dies wiederholt.

In den Medien wird immer wieder erwähnt, dass an solchen Skandalen "schwarze Schafe der Armee" schuld seien. Der linke Senator Iván Cepeda kritisierte die Verharmlosung des Problems. Es gehe eigentlich um schwarze Schafherden und das Problem wird weiter bestehen, solange keine tiefgehenden, strukturellen Veränderungen des Militärs stattfinden. Ein Beteiligter der "Operation Kommandostab" bezeichnete seinerseits das Militär als ein "mafiöses System".