Argentinien / Soziales

Argentinien: Angespannte Lage in Armenvierteln wegen Ausbreitung des Coronavirus

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In den Villas in Buenos Aires nimmt die Armut in Folge der Corona-Pandemie stark zu
In den Villas in Buenos Aires nimmt die Armut in Folge der Corona-Pandemie stark zu

Buenos Aires. Obwohl die Zahl der Corona-Infektionen in Argentinien verhältnismäßig gering ist, sind die Bewohner der Armenviertel (Villas) in der Hauptstadt Buenos Aires besonders von der Ausbreitung des Virus betroffen. Bei einer von Nachbarschaftsinitiativen der Villa 31 im Stadtteil Retiro in der vergangenen Woche organisierten Protestaktion machten die Bewohner auf die sanitären Bedingungen in den informellen Stadtvierteln in Buenos Aires aufmerksam, die die Infektion mit dem Coronavirus in die Höhe treiben. So sind es vor allem die prekären Lebensbedingungen auf engstem Raum, die die Maßnahme der sozialen Distanzierung in den Villas praktisch unmöglich machen. Aktivisten und Journalisten beklagen außerdem, dass seit Januar diesen Jahres Trinkwasser in der Villa 31 fehlt.

Seit dem 5. Mai führt die Regierung von Buenos Aires in Zusammenarbeit mit dem Stadtentwicklungsministerium, dem Bundesgesundheitsministerium sowie Vertretern der katholischen Kirche in den Villas das Programm Detectar zur Eindämmung der Ansteckungszahlen in den Villas durch. Es sollen massive Testungen durchgeführt und mit der Nachverfolgung der Kontaktpersonen im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion kombiniert werden. Das Portal La Poderosa kritisiert, dass dieses Programm bisher nur in geringem Maß durchgeführt und Tests nur an Menschen mit Symptomen von Covid-19 gemacht werden.

Rund ein Viertel der mit dem Coronavirus Infizierten in Buenos Aires sind Bewohner von Villas. Nach Informationen der Stadtregierung zählte die argentinische Hauptstadt bis zum 15. Mai 3.239 infizierte Personen. Allein 891 davon sind Bewohner einer Villa. Am stärksten ist die Villa 31 im Stadtteil Retiro betroffen. Allein hier wurden bisher 673 Covid-19-Fälle gezählt. Während der Reproduktionsfaktor der Ansteckungen in den formellen Stadtvierteln von Buenos Aires zwischen 1 und 1,3 liegt, werden in den Villas von jeder infizierten Person zwischen zwei und drei weitere Menschen angesteckt.

In der Villa 31 nahe dem Stadtzentrum im Osten von Buenos Aires leben 85.000 Bewohner pro Quadratkilometer im Vergleich zu 15.000 pro Quadratkilometer in ganz Buenos Aires.

Während der Vize-Präsident der Stadtregierung, Diego Santilli, gegenüber der Online-Zeitung El Intransigente erklärte, dass die Wasserversorgung in den Villas nach einem zwischenzeitlichen Ausfall mittlerweile wiederhergestellt und gesichert sei, kritisierte die Aktivistin Ramona Medina den weiterhin fehlenden Zugang zu Trinkwasser in einer Videoantwort auf Santilli: "Seit acht Tagen haben wir kein Wasser und sie sagen, wir sollen uns desinfizieren und nicht auf die Straße gehen. Wie können sie uns vorgeben, nicht auf die Straße zu gehen, wenn ich Wasser kaufen muss? Ich weiß nicht, wie ich das Ministerium für Stadtentwicklung noch um eine Lösung für dieses Situation bitten soll. Unter diesen Bedingungen kann man nicht leben."

Ramona Medina, die durch ihre öffentlichen Anklagen wegen des Wassermangels in den vergangenen Wochen landesweit bekannt geworden war, verstarb am gestrigen Sonntag im Alter von 42 Jahren an den Folgen der Corona-Infektion.