El Salvador zwischen Autokratie und Chaos

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Soldaten und Polizisten kontrollieren die Einhaltung der Ausgangssperre in den östlichen Gemeinden des Großraums San Salvador
Soldaten und Polizisten kontrollieren die Einhaltung der Ausgangssperre in den östlichen Gemeinden des Großraums San Salvador

San Salvador. Unter Bezugnahme auf das Notstandsgesetz werden in El Salvador immer mehr Bürgerrechte außer Kraft gesetzt. Dies wird mittlerweile auch vom Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nationen kritisiert.

Am 20. April genehmigte Präsident Nayib Bukele den Bürgermeistern der 262 Gemeinden in El Salvador, ebenfalls "sanitäre Maßnahmen" zu ergreifen. Noch am gleichen Tag ließ der rechtsgerichtete Bürgermeister von San Salvador den Stadtkern der Hauptstadt von Soldaten und Polizisten abriegeln und verhängte eine totale Ausgangssperre.

Das Niesen einer Parlamentsabgeordneten der linksgerichteten Partei Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) nach einer Abstimmung, bei der ein Veto des Präsidenten gegen ein Gesetz überstimmt worden war, führte dazu, dass Bukele dem Parlament wegen Corona-Verdachts per Twitter empfahl, in Quarantäne zu gehen. Die Mehrzahl der rechtsgerichteten Politiker verließ daraufhin fluchtartig den Plenarsaal – eine reguläre Arbeit des Parlamentes ist somit im Moment nicht möglich.

Noch immer befinden sich Hunderte Menschen in Quarantänezentren, teilweise seit mehr als 30 Tagen, ohne Informationen über ihre Perspektiven. Dass sie dort einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, ist der Regierung bekannt, wie die Aussage des Sicherheitsministers vom 2. April belegt. In der vergangenen Woche wurden einige wieder entlassen, nach Regierungsangaben sollen insgesamt 4.392 wieder zu Hause sein.

Am 21. April wandten sich Menschenrechtsorganisationen in einem ausführlichen Schreiben an die Vereinten Nationen. Hochkommissarin Michelle Bachelet forderte daraufhin, dass alle in einem Auffangzentrum festgehaltenen Menschen sofort nach einer medizinischen Überprüfung freigelassen werden müssten. „Auch in Zeiten eines Notstandes dürfen bestimmte Grundrechte weder eingeschränkt noch ausgesetzt werden, darunter das Recht, nicht misshandelt zu werden, und die Garantie, nicht willkürlich verhaftet zu werden."

Die am 17. April verhängte totale Ausgangssperre für die Stadt Puerto La Libertad wurde indes nach 48 Stunden wieder aufgehoben. Dass es sich um eine Strafmaßnahme gegenüber der Bevölkerung handelte, ist unter anderem daran zu erkennen, dass zu diesem Zeitpunkt keine Infektionen in der Stadt bekannt waren und während der Ausgangssperre weder Tests noch andere medizinische Untersuchungen durchgeführt wurden.

In einem Urteil hatte die Verfassungskammer am 15. April betont, dass die Einschränkung von Grundrechten in Notlagen begründet und verhältnismäßig sein müsse. Die Beschlüssen der Kammer seien im Übrigen nicht einfach interpretierbare Vorschläge, sondern von den anderen Staatsgewalten zu befolgen.

Präsident Bukele erklärte jedoch, er werde sich an die Anordnung der Verfassungskammer nicht halten: “Fünf Personen werden nicht den Tod von Hundertausenden Salvadorianern beschließen. Egal, wie viel Tinte und Siegel sie haben.”

Am 26. April gab es in El Salvador nach offiziellen Angaben 298 bestätigte Corona-Infizierte, acht Todesfälle und 83 Genesene.