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"Letzter Rückflug nach Deutschland": amerika21-Autorinnen in Lateinamerika

Drei Autorinnen berichten aus Kolumbien, Chile und Mexiko. Massive Beschränkungen auch in der journalistischen Arbeit

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Die mexikanische Regierung informiert auf ihrer Internetseite über Covid-19
Die mexikanische Regierung informiert auf ihrer Internetseite über Covid-19

Cali et al. "Letzter möglicher Rückholflug nach Deutschland". Diese Nachricht haben einige unserer Autorinnen und Redaktionsmitglieder in den letzten Tagen von der jeweiligen Botschaft bekommen, per Email oder sogar per Telefon. Vor allem Personen ohne permanenten Wohnsitz in Lateinamerika wurden dringend aufgefordert, an den jeweiligen konzentrierten Rückholaktionen teilzunehmen. Allerdings haben einige unserer Mitarbeiterinnen ihren Lebensmittelpunkt in dem Land, aus dem sie berichten.

So auch Autorin und Redaktionsmitglied Ani Dießelmann: "Ich lebe seit sieben Jahren in Cali, hier ist mein Zuhause. Aber als der letzte Flieger aus Bogotá nach Europa am 3. April ohne uns abhob, war das ein komisches Gefühl.“ Die Privilegien, die gewohnte und liebgewonnene Reisefreiheit für uns als Europäer, sind plötzlich weggebrochen. In der Mail der Botschaft wurde gewarnt: "Bitte seien Sie sich bewusst, dass wir Ihnen nach diesem Flug bis zur Wiederaufnahme des internationalen Flugverkehrs von und nach Kolumbien voraussichtlich keine weitere Rückholmöglichkeit nach Deutschland anbieten können." Bereits seit dem 16. März befindet sie sich in Quarantäne und arbeitet aus dem Homeoffice. Selbst die sonst belebten Straßen sind menschenleer, sogar in den ärmeren Vierteln halten sich die Menschen panisch an die Beschränkungen. Wer unnötig das Haus verlässt, wird mit drakonischen Strafen belegt. Neben der Arbeit für amerika21 ist sie an der Universidad del Valle in einem Forschungsprojekt zur Farc-Demobilisierung tätig und arbeitet für eine Schweizer Nichtregierungsorganisation in einem Aussteigerprogramm für Intensivtäter in der südkolumbianischen Dreimillionenstadt Cali.

Ähnlich geht es unserer Mexiko-Korrespondentin Sonja Gerth. Nach Deutschland gibt es bereits seit Wochen keine Verbindung mehr, in viele andere Länder auch nicht. Inlandsreisen sind offiziell noch erlaubt. Sie wohnt mit ihren drei Kindern in Mexiko-Stadt und arbeitet dort hauptsächlich für die feministische Nachrichtenagentur Cimacnoticias. "Seit dem 30. März herrscht in Mexiko die 'emergencia sanitaria' [Gesundheitsnotstand], die aber keine Ausgangs- oder Kontaktsperre bedeutet. Bisher setzt die Regierung noch auf ihre Initiative QuédateEnCasa, also darauf, dass alle freiwillig zu Hause bleiben", schildert sie. Landesweit wurden die Schulen bereits am 23. März geschlossen. Viele Universitäten, Privatschulen und die öffentliche Verwaltung haben allerdings schon am 17. März zugemacht. Cimacnoticias arbeitet seit dem 23. März von zu Hause, möglichst alle Interviews sollen per Telefon geführt werden. "Bisher sind alle Personen für Interviews ganz gut erreichbar", sagt Sonja Gerth: "Die meisten sind ja auch im Homeoffice." Weiter schildert sie, dass die Straßen erstaunlich leer sind in der Millionenstadt. "Natürlich gibt es viele Leute, die von der Hand in den Mund leben und nicht einfach mit dem Arbeiten aufhören können", berichtet sie besorgt. Eben diese Personen seien im Straßenbild noch zu sehen, haben aber Einkommensverluste wegen fehlender Kundschaft.

Eine besondere Situation erlebt Autorin Corina Schaub in Chile. Kurz vor der Geburt ihres Kindes beschäftigt sie vor allem die Gesundheitsversorgung. Sie berichtet, dass die Betreuung Schwangerer derzeit nur lückenhaft gewährleistet wird. Selbst in der Kleinstadt, in der sie lebt, wo es in der Region noch kaum Fälle von Covid-19 gibt, sind die Spitäler völlig durcheinander geraten. Das Pflegepersonal rät schwangeren Frauen dringend von Aufenthalten in Krankenhäusern ab, obwohl sie unter "normalen" Umständen keine Hausgeburten empfehlen. Von anderen Schwangeren weiß sie, dass sich sowohl im öffentlichen System als auch in Privatpraxen plötzlich niemand mehr um sie kümmert. "Einige bekamen kurz vor der Geburt die Information, die Praxis bleibe vorläufig geschlossen. Geplante Kaiserschnitte und Geburten wurden gestrichen." Während die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, nach der Geburt Mutter und Kind nicht zu trennen und unbedingt zu stillen, kursierte lokal ein Dokument eines chilenischen Gynäkologen, der eine 14-tägige Isolation von Neugeborenen und infizierten Müttern empfiehlt. Was allerdings im Gesundheitsbereich passiert, spiegelt auch die Reaktionen der Regierung: Sie trifft wenige Maßnahmen und generiert damit eher Chaos als Klarheit. Viele Menschen bleiben aus Eigeninitiative zu Hause, andere aber bewegen sich weiter wie gehabt. Seit Anfang April gibt es eine Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr.