Chiles Präsident verfügt inmitten der Proteste eine Steuerreform

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Der Kampf für eine souveräne Verfassung in Chile geht weiter. Demonstration am 27. Dezember in Santiago
Der Kampf für eine souveräne Verfassung in Chile geht weiter. Demonstration am 27. Dezember in Santiago

Santiago. Seit Anfang März haben die sozialen Proteste in Chile wieder mehr Zulauf. Tausende Menschen sind in Santiago und andernorts auf der Straße. Präsident Sebastián Piñera verkündet unterdessen eine erfolgreiche Einigung mit Teilen der Opposition über eine Steuerreform, die den Forderungen der sozialen Bewegungen jedoch deutlich entgegenstünde.

Die Steuerreform, die Piñera Ende Februar erließ, sei Teil der Kompromisse, die die Regierung mit der parlamentarischen Opposition seit Ende letzten Jahres ausgehandelt habe. Die Reform solle durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 40 Prozent die Besserverdienenden stärker belasten, neue Investitionen und die Umsetzung der Forderungen der sozialen Bewegungen finanzieren. Damit wolle der Präsident nicht zuletzt den Forderungen der sozialen Bewegungen entgegenkommen.

Ausgebrochen waren die Proteste im Oktober vergangenen Jahres. Sie richteten sich vor allem gegen gestiegene Lebenshaltungskosten. Immer wieder ist das private Renten-, Gesundheits-, Bildungs- oder Mautsystem Gegenstand der Kritik. Neben einer neuen Verfassung werden Reformen gefordert, die der enormen Ungleichheit in dem Andenstaat entgegenwirken. Piñera hatte mehrfach soziale Reformen angekündigt und Verbesserungen versprochen.

Doch die angekündigte Steuerreform stößt auf breite Kritik. Sie begünstige durch mögliche "vorzeitige Abschreibungen" und eine explizite Investitionsorientierung die Unternehmen und nicht die breite Bevölkerung, so die Kritiker. Demgegenüber sei die Steuererhöhung für Besserverdiener nur symbolisch. Zudem würde die Durchsetzung der Mehrwertsteuer verstärkt, die proportional stets die ärmeren Bevölkerungsteile stärker treffe. Teile der parlamentarischen Opposition fassten die Steuerreform geradezu als Betrug auf.

Die Regierung betont derweil die vorbildliche Kooperation mit Teilen der parlamentarischen Opposition, die dieses Gesetzprojekt ermöglicht habe. Während auf den Straßen Tausende seinen Rücktritt fordern, verkündete Präsident Piñera: "Chile muss heute mehr denn je diesen Geist des Dialogs, der Zusammenarbeit und der Vereinbarungen am Leben erhalten. Die Herausforderungen, die vor uns stehen, sind zu groß, um sich über Kleinigkeiten zu zerstreiten."