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Kolumbien: Neue Fälle von "Falsos positivos" – auch ein Kind ist unter den Toten

Aussagen von Insider über systematische Verbrechen des Militärs im internen bewaffneten Konflikt. Nach Exhumierungen von Opfern neue Erkenntnisse erwartet

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Oberst Alvaro Amórtegui Gallego räumte ein, für Fälle von "falsos positivos" mitverantwortlich gewesen zu sein
Oberst Alvaro Amórtegui Gallego räumte ein, für Fälle von "falsos positivos" mitverantwortlich gewesen zu sein

Bogotá. Der ehemalige kolumbianische Militärchef Mario Montoya wird in Kolumbien beschuldigt, die Ermordung von Zivilisten angeordnet zu haben, um diese als getötete Guerilla-Kämpfer zu präsentieren. Zugleich sind in der Gemeinde Dabeiba die sterblichen Überreste von zehn Personen exhuminiert worden, darunter ein Kind im Alter zwischen sieben und zehn Jahren.

In einem Interview teilte Oberst Alvaro Amórtegui Gallego am Mittwoch vergangener Woche mit, dass er im Jahr 2001 von General Mario Montoya den Befehl erhalten habe, 17 bei einer militärischen Operation gefangengenommene Zivilisten zu töten. Im Anschluss sollten die hingerichteten Personen als gefallene Guerilla-Kämpfer gekennzeichnet werden ("Falsos positivos"). Von der Guerilla-Organisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Farc) seinerzeit verwendete Armbänder wollte General Montoya ihm zuschicken. Amórtegui habe sich aber geweigert, den Befehl durchzuführen, woraufhin Montoya sehr aufgebracht gewesen sei.

Oberst Amórtegui Gallego wandte sich außerdem in einem Video, das er über Social Media-Kanäle veröffentlichte, direkt an Kolumbiens Präsident Ivan Duque, Verteidigungsminister Carlos Holmes Trujillo und die Kommandeure der Streitkräfte. Darin gab er bekannt, dass er bereits seit längerer Zeit Opfer von Einschüchterungsversuchen sei, weil er irreguläre Handlungen der Armee gemeldet habe.

Als "Falsos positivos" werden Zivilpersonen bezeichnet, die vom Militär hingerichtet wurden, um sie dann als gefallene Mitglieder der Guerilla zu präsentieren. Die an den Mordkommandos beteiligten Soldaten erhielten Erfolgsprämien für ihre vermeintlichen Erfolge. Die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft hat bisher etwa 5.000 Fälle untersucht, an denen etwa 1.500 Militärangehörige beteiligt waren und die zwischen 1988 und 2014 begangen wurden. Die wenigen für diese Taten verurteilten Personen sind meist einfache Soldaten oder Unteroffiziere, aber keine hochrangigen Offiziere.

Ebenfalls am Mittwoch gab die Sonderjustiz für den Frieden (Jurisdicción Especial para la Paz, JEP) in einem anderen Fall bekannt, dass auf dem Friedhof der Gemeinde Dabeiba (Departamento Antioquia) zehn Leichen im Zusammenhang mit "Falsos positivos" entdeckt wurden. Die JEP ist der Übergangsjustizmechanismus, durch den Verbrechen von Angehörigen der Streitkräfte, von ehemaligen Farc-Mitgliedern und Dritten, die an dem innerkolumbianischen bewaffneten Konflikt teilgenommen haben, untersucht und die verantwortlichen Personen vor Gericht gestellt werden.

Unter den exhumierten Personen wurde auch die Leiche eines Kindes gefunden, das zum Zeitpunkt seines Todes zwischen sieben und zehn Jahre alt war. Weitere Ermordete wurden in Gummistiefeln begraben. Eine der Leichen wies drei Einschusslöcher im Kopf auf. Die JEP führte aus, dass einige der Opfer Menschen mit Behinderung waren. Die Exhumierungen basieren auf Aussagen eines ehemaligen Militäroffiziers, der an den Geschehnissen teilnahm.

Die menschlichen Überreste der "Falsos positivos" werden nun der Gerichtsmedizin zur Identifizierung übergeben. Richter Alejandro Ramelli Arteaga, der die Untersuchung leitet, sagte, dass dies nur der Anfang dessen sei, was noch aufgefunden würde. Nach Informationen, die der JEP vorliegen, seien die Überreste von mehr als 50 Personen, die fälschlich als Opfer von Kampfhandlungen präsentiert wurden, auf dem Friedhof von Dabeiba zu finden.