Brasilien / Politik

Brasilien: Kritik an Ernennung von Ex-Missionar zum Leiter einer Indigenenbehörde

brasilien_evangelikaler_funairicardo_lopes_dias.jpg

Ricardo Lopes Dias war früher als Missionar im Amazonasgebiet tätig
Ricardo Lopes Dias war früher als Missionar im Amazonasgebiet tätig

Brasília. Die Entscheidung der brasilianischen Regierung, den Pastor Ricardo Lopes Dias zum Koordinator der Abteilung für nicht kontaktierte Völker der Indigenenbehörde Funai zu machen, ist auch international auf heftige Kritik gestoßen.

Die UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker, Victoria Tauli-Corpuz, äußerte sich besorgt darüber, dass mit Lopes Dias ein ehemaliger Missionar für den Schutz isoliert lebender indigener Gemeinschaften verantwortlich gemacht wird. Es sei eine gefährliche Entscheidung, "die möglicherweise zu einem Völkermord" an diesen Indigenen führen könne. "In Brasilien, Ecuador und Peru gibt es eine schreckliche Geschichte, in der evangelikale Gruppen illegale Kontakte erzwingen. Das Risiko, unbekannte Krankheiten an Indigene zu übertragen, ist hoch und die Regierung muss aus den Ereignissen der Vergangenheit lernen. Diese Völker haben das Recht, isoliert zu bleiben", sagte sie.

Der Rat der indigenen Organisationen des brasilianischen Amazonasgebiets erklärte: "Unsere Familien haben in der Vergangenheit unter den Aktivitäten der Missionare, darunter viele von der MNTB, gelitten." Man fürchte nun "Verbrechen des Völkermords und Ethnozids gegen unsere isolierten Verwandten", heißt es in einer Stellungnahme.

Auch Angestellte von Funai reagierten mit Empörung. In einem offenen Brief fordern sie den Widerruf der Entscheidung und kritisieren, dass mit Lopes Dias jemand ernannt wurde, der “gegen die Rechte von nicht kontaktierten Indigenen handelt”.

Die Berufung von Lopes Dias zum neuen Leiter der Funai-Abteilung ist die zweite Neubesetzung des Postens innerhalb von sechs Monaten.

Ricardo Lopes Dias ist Anthropologe und Pfarrer und war für die "Mission neue Stammesgruppen Brasiliens" (Missão Novas Tribos do Brasil, MNTB) von 1997 bis 2007 im Amazonasgebiet in der Evangelisierung von Indigenen tätig. Diese in den USA gegründete Mission ist unter indigenen Organisationen bekannt, weil sie den Kontakt zu Gruppen erzwingt, die isoliert leben, und versucht, diese zu evangelisieren. Die MNTB wurde beispielsweise mit Epidemien in Verbindung gebracht, die das Zo'é-Volk 1982 auslöschten.

Lopes Dias betonte, er sei aufgrund seiner Erfahrung als Anthropologe und nicht wegen seines Hintergrunds als Missionar in die Position berufen worden. "Ich verstecke meine Arbeit in der Vergangenheit als Missionar nicht, aber heute bin ich Anthropologe mit Master und Doktortitel", sagte er. Er fügte hinzu, dass er keine Verbindungen mehr zur MNTB habe.

In seiner 2015 vorgelegten Masterarbeit dankt Lopes Dias der MNTB dafür, dass sie ihn gut ausgebildet hat. Edward Gomes Luz, Präsident der Mission, lobte Dias' Ernennung durch die ultrarechte Regierung von Jair Bolsonaro und sagte, er sei perfekt für diese Stelle.

Laut dem Direktor des Indigenen-Missionsrats der katholischen Kirche (Cimi), Antonio Eduardo Oliveira, war die bisherige Verfahrensweise der brasilianischen Regierung bezüglich isolierter indigener Völker seit der Verfassung von 1988 eher Schutz als Annäherung. Die Wahl Lopes Dias’ zum neuen Abteilungsleiter widerspreche somit dieser Philosophie. "Die Ernennung des Pastors steht im Einklang mit dem Wunsch der Regierung, diese Schutzfronten aufzuheben und zu einer Dynamik der Diktatur des Kontakts zu den Völkern zurückzukehren, was einen wahren Völkermord bedeutet, weil diese Völker sehr empfindlich auf jeden Kontakt reagieren", sagte Oliveira.

Die Ernennung war nur dank einer Änderung der Satzung der Funai möglich, die wenige Tage zuvor vorgenommen wurde und die es Personen außerhalb des öffentlichen Dienstes ermöglicht, das Amt anzutreten.

Derzeit zählt Funai 107 Aufzeichnungen über die Anwesenheit isolierter Indigener Völker im Amazonasgebiet.