Militärs in Brasilien fürchten Intervention Frankreichs und Konflikt mit Venezuela

Laut internem Dokument drohen Grenzkonflikte mit Venezuela und "Krieg um Amazonas" mit Frankreich. Militärallianz mit USA soll vertieft werden

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Brasilien Armee fürchtet am meisten ausländische Interventionen im Amazonas, geht aus einem internen Dokument hervor.
Brasilien Armee fürchtet am meisten ausländische Interventionen im Amazonas, geht aus einem internen Dokument hervor.

Brasília. Ein Krisenszenario der brasilianischen Streitkräfte sieht Venezuela und Frankreich als größte Bedrohungen der kommenden 20 Jahre. Nachdem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Amazonas als "universelles Erbe" bezeichnete, handeln die Militärs von Präsident Jair Bolsonaro einen "Krieg um Amazonas" als mögliches Ereignis, berichtet die Tageszeitung Folha de São Paulo am gestrigen Freitag unter Berufung auf vertrauliche Dokumente des Kommandos der Streitkräfte.

Demnach handelt es sich um einen bisher geheimen Entwurf von Szenarien der verteidigungsstrategischen Ausrichtung des Landes. Das entsprechende Dokument sollte im Juni dem Parlament vorgelegt werden. In dem 45-seitigen Text stellen die Militärs realistische geopolitische Erwägungen, aber auch "etwas wahnwitzige Hypothesen" über die kommenden 20 Jahre an, kommentiert die Folha de São Paulo. Der Strategieentwurf simuliert vier mögliche Szenarien zukünftiger Bedrohungen und Allianzen. Darunter fallen die Installation US-amerikanischer Militärbasen und die Stationierung der südlichen Atlantikflotte der US-Marine, Kriege mit Nachbarstaaten wie Bolivien, Argentinien und Venezuela, Drogenschmuggel sowie Attacken südostasiatischer Ultranationalisten mit dem neuen Coronavirus auf ein Rockfestival in Rio de Janeiro im Jahr 2039.

Besonderer Fokus liegt offenbar auf Venezuela. In einer als realistisch eingestuften Simulation fällt Venezuela unter Rückgriff auf Angriffsraketen, die es von Russland und China erhalten hat, in das Nachbarland Guyana ein. Es will sich Gebiete einverleiben, die es historisch beansprucht. Der Konflikt weitet sich auf die Grenzregion mit Brasilien aus, das gezwungen wird, in die Auseinandersetzung einzusteigen. Dem Dokument nach rettet sich Brasilien durch "seinen Raketenabwehrschirm, den das Land mit israelischer Hilfe und nordamerikanischen Bauteilen entwickelt hat". Tatsächlich kam es im Grenzgebiet zu Brasilien und Guyana im Dezember 2019 zu einen Angriff von bewaffneten Personen auf zwei Stützpunkte der venezolanischen Streitkräfte.

In allen vier Szenarien jedoch wird Frankreich als größte Bedrohung gehandelt. Eine der Simulationen sieht vor, dass Paris im Jahr 2035 "bei den Vereinten Nationen den Antrag auf Intervention in der Region der Yanomami-Indigenen stellt und der Befreiungsbewegung dieses indigenen Stammes seine unbegrenzte Unterstützung zusichert". Zwei Jahre später "entsendet Frankreich große Teile seiner Streitkräfte nach Französisch-Guyana", seinem Überseedépartement, das im Norden an Brasilien angrenzt.

Dabei ignoriert das Dokument, dass Frankreich noch vor den USA Brasiliens wichtigster militärischer Partner ist. Beide Länder haben zudem umfangreiche Abkommen zum Bau von U-Booten und Helikoptern.

Frankreich geriet ins Visier der brasilianischen Militärs, nachdem dessen Präsident Macron Ende August 2019 die Idee eines internationalen Statuts zum Schutz des Amazonas eingebracht hatte. Der französische Staatschef forderte den Regenwald unter internationalen Schutz zu stellen, sollte die brasilianische Regierung sich weiterhin weigern, die Brände und Brandrodungen energisch genug zu bekämpfen. "Diese Frage sollte sich wirklich stellen, wenn ein souveräner Staat Maßnahmen ergreift, die sich klar gegen die Interessen des Planeten richteten", so Macron am Rande des G7-Treffens.

Daraufhin warf Bolsonaro Macron "kolonialistische Mentalität" vor und bezeichnete den Vorschlag als unerlaubte Einmischung in die Souveränität Brasiliens. Noch am selben Tag entschied die Regierung in Brasília, eine Hilfe der G7-Staaten in Höhe von 20 Millionen US-Dollar zur Bekämpfung der Waldbrände zurückzuweisen. Laut Bolsonaro wollte Macron daraus nur politisches Kapital schlagen. Die G7-Staaten machten die Probleme größer als sie seien.

Deutlich wird, dass die brasilianischen Streitkräfte ihre "Achillesferse" in der weiten, schwer zugänglichen Amazonasregion verorten. "Der Regenwald ist das Herz des nationalen militärischen Denkens", konstatiert die Zeitung. Ferner spiegelt der Text die finanziellen Probleme der Landesverteidigung wider. Im Jahr 2020 beträgt das Budget 80 Milliarden Reais (etwa 17 Milliarden Euro) und damit das geringste der letzten 15 Jahre. Davon wiederum gehen knapp 80 Prozent für das Personal drauf, es bleibt wenig Spielraum für Neuanschaffungen.

Dementgegen hat die Regierung Bolsonaro am gestrigen Freitag die 2014 geschlossene 6. Division reaktiviert. Mit Sitz in Porto Alegre sollen knapp 8.000 Soldaten die Grenze im Süden bewachen. Der kommandierende General Achilles Furlan Neto hält die Reaktivierung "für sehr wichtig, weil sie die Schlagkraft im Süden erhöht. Je mehr operative Kommandos, desto besser", so der General. Im Süden liegt Uruguay.