Bolivien: De-facto-Regierung schmeißt Deutschland aus dem Lithium-Geschäft

Deal mit Firma aus Baden-Württemberg soll "freundschaftlich" beendet werden. Deutscher Botschafter sieht Schaden für Glaubwürdigkeit

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Die Führung unter Senatorin Jeanine Áñez wendet sich gegen das Lithium-Geschäft mit Deutschland
Die Führung unter Senatorin Jeanine Áñez wendet sich gegen das Lithium-Geschäft mit Deutschland

La Paz/Zimmern/Berlin. Die De-facto-Regierung in Bolivien hat angekündigt, ein Abkommen mit dem deutschen Unternehmen ACI Systems zur Industrialisierung von Lithium definitiv zu kündigen. Nach Angaben des rechtsgerichteten Politikers Humberto Leigue, soll eine "einvernehmliche Lösung" gefunden werden, um eine Unternehmensstruktur aufzulösen, die von der gestürzten Regierung von Präsident Evo Morales und ACI Systems gegründet wurde, um das Lithium im Salar de Uyuni in Potosi auszubeuten. Leigue bezeichnet sich in der De-facto-Regierung von Senatorin Jeanine Áñez als stellvertretender Minister für Elektrizität und alternative Energien.

Damit vollzieht die nicht gewählte Staatsführung einen offenen Bruch mit den deutschen Geschäftspartnern und provoziert bilaterale Spannungen. Der Vertrag zwischen ACI Systems und Partnern sowie Bolivien war Ende 2018 in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin unter anderem im Beisein von Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) und Boliviens Außenminister Diego Pary unterzeichnet worden.

Als Proteste in der Förderregion die inzwischen gestürzte Morales-Regierung im November 2019 zwangen, die Lithium-Förderung des deutsch-bolivianischen Mischunternehmens vorläufig zu stoppen, rief ACI Systems mit Sitz im baden-württembergischen Zimmern ob Rottweil erneut Altmeier zu Hilfe. Die damalige bolivianische Regierung beteuerte hinter den Kulissen, dass das Projekt nach Erarbeitung eines neuen Verteilungsschlüssels für die Einkünfte aus der Lithium-Förderung wieder aufgenommen werden könne. Davon will die nun amtierende De-facto-Regierung nicht mehr wissen.

"Wir suchen keine Konfrontation, sondern eine freundschaftliche Lösung, die darin besteht, die Beteiligten zu bitten, dass die Einlagen, die sie möglicherweise bei der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens geleistet haben, von Deutschland und von Bolivien zurückgefordert werden können", sagte Leigue bei einem Gespräch mit Journalisten in La Paz.

Der Politiker stellte erneut die Unterzeichnung des Vertrags mit ACI Systems in Frage. In dem gemeinsamen Unternehmen sei der bolivianische Staat strukturell benachteiligt gewesen, argumentierte Leigue: "Daher sind wir der Ansicht, dass dieses Unternehmen nicht die rationalste und angemessenste Lösung war."

Deutschlands Botschafter in Bolivien, Stefan Duppel, zeigte sich wenig begeistert über den Rückzug der Áñez-Führung, die offenbar kein Interesse an weiteren Geschäften mit Deutschland im Lithium-Business hat. Deutschland stehe weiterhin zu seiner Abmachung in Bezug auf das Lithium-Projekt in Bolivien und halte Wort, twitterte der Diplomat: Für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und für die internationale Glaubwürdigkeit von Investitionen in Bolivien wäre es ein "Schlag ins Gesicht", wenn Bolivien das Lithium-Projekt stoppen würde.

Boliviens gestürzte Regierung hatte Ende 2018 mit einem Konsortium aus den deutschen Unternehmen ACI Systems und K-UTEC ein Joint Venture für die Industrialisierung und Kommerzialisierung von Lithiumvorkommen vereinbart. Das Staatsunternehmen Bolivianische Lithiumvorkommen (Yacimientos de Litio Bolivianos, YLB) hatte bereits am 5. Oktober 2018 eine entsprechende Vereinbarung mit beiden Firmen geschlossen. Drei Fabriken sollten gebaut und 1,2 Milliarden US-Dollar investiert werden.

Boliviens damaliger Vizepräsident Álvaro García Linera erklärte bei der Unterzeichnung in La Paz, das gemeinsame Unternehmen werde in Uyuni eine Lithiumhydroxid-Anlage zur Produktion von Kathoden und Lithium-Ionen-Batterien einrichten. Der bolivianische Staat sei über YLB mit 51 Prozent beteiligt. Bis Dezember 2018 arbeiteten die Partner die Satzung für das Joint Venture aus und die Regierung erließ ein entsprechendes Dekret.

Die Zusammenarbeit sei "von enormer strategischer Bedeutung für beide Seiten" und für Europa, sagte der in La Paz ebenfalls anwesende damalige Wirtschafts- und Wissenschaftsminister von Thüringen, Wolfgang Tiefensee (SPD). Den bolivianischen Partnern sei zugesagt worden, dass die Gewinnung und Verarbeitung des Lithiums "nicht nur auf dem neuestem Stand der Technik, sondern auch sozial- und umweltverträglich erfolgt". So sollten beispielsweise regenerative Energien genutzt und eine dezentrale Stromversorgung aufgebaut werden. Geplant war zudem, dass eine Fabrik zur Produktion von Batteriezellen für den südamerikanischen Markt errichtet wird. Ein weiterer wesentlicher Punkt sollte Wissenstransfer durch die Ausbildung und Qualifizierung der bolivianischen Mitarbeiter sein.

In der Pressemitteilung der Firma ACI Systems zu dem Joint Venture hieß es, der Salar de Uyuni in den Anden im Südwesten Boliviens sei "die derzeit größte bekannte Lagerstätte für Lithium". Der bolivianische Staat baue eine Wertschöpfungskette auf, um das Rohstoffvorkommen industriell zu nutzen. Die Industrialisierung solle durch die Gewinnung und Herstellung von Rohstoffen aus Restsole, den Aufbau von Fertigungskapazitäten und die Produktion von Kathodenmaterial und Batteriesystemen in Bolivien sowie deren Vermarktung erfolgen. Durch diese bolivianisch-deutsche Partnerschaft erhalte auch Deutschland "Zugriff auf den begehrten Rohstoff Lithium", so ACI Systems weiter.