Oppositionsführer von Venezuela wird auf internationaler Bühne hofiert

Nach einem Jahr erfolgloser Umsturzversuche gegen die Regierung Maduro ersucht Juan Guaidó seine Unterstützer um mehr Hilfe

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Guaidó und der EU-Außenbeaufragte Josep Borrell am Mittwoch in Brüssel
Guaidó und der EU-Außenbeaufragte Josep Borrell am Mittwoch in Brüssel

Bogotá/Brüssel. Der venezolanische Oppositionsführer Juan Guaidó ist am Dienstag in der britischen Hauptstadt London eingetroffen. Er wird seine mehrtägige Europa-Reise voraussichtlich mit der Teilname am Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos beenden.

Guaidó hatte vor genau einem Jahr den Präsidenten von Venezuela, Nicolás Maduro, zum "nicht rechtmäßigen" Amtsinhaber erklärt und sich selbst zum "Interimspräsidenten" ausgerufen. Unmittelbar danach wurde er von den USA, Deutschland und etwa 50 weiteren Regierungen anerkannt. Eine ausreichende Machtbasis im Land konnte Guaidó bisher aber nicht erringen. Die aktuelle Tour soll ihm nun mehr internationale Unterstützung zum Sturz der sozialistischen Regierung verschaffen.

Nach Gesprächen mit dem britischen Premierminister Boris Johnson und dessen Außenminister Dominic Raab wurde Guadió gestern in Brüssel vom Außenbeauftragten der Europäischen Union, Josep Borrel, und vom EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas empfangen. Vor Abgeordneten des europäischen Parlaments (EP) drückte der venezolanische Politiker im Anschluss seine "tiefe Dankbarkeit" dafür aus, dass die supranationale Volksvertretung ihn unterstützt.

Bei dieser Gelegenheit verlangte Guaidó von Europa mehr "Druck" gegen die Regierung Maduro. Laut einer Meldung der deutschen Nachrichtenagentur dpa forderte er im EP von "der freien Welt" mehr Sanktionen gegen sein Land.

Eine Erklärung der EU-Kommission sicherte Guaidò weiterhin Unterstützung zu. Er sei rechtmäßiger Präsident der Nationalversammlung und diese "die einzige demokratisch gewählte Institution in Venezuela".

Über eine Reihe von hochkarätigen Fototerminen in repräsentativem Format hinaus sind wenig substanzielle Ergebnisse der Treffen berichtet worden.

Während in zahlreichen internationalen Medien das Scheitern der Umsturzversuche Guaidós und die geringe Unterstützung im Land festgestellt und seine künftige Rolle äußerst skeptisch beurteilt wird, sicherte US-Außenminister Mike Pompeo ihm zu Beginn der Woche die Unterstützung der Regierung von Präsident Donald Trump zu.

Während seines Besuchs in Bogotá, der ersten Station der Reise des Ministers nach Lateinamerika und in die Karibik, waren Pompeo und der US-Sonderbeauftragte für Venezuela, Elliot Abrams, am Montag mit Guiadó zusammengekommen. Die Welt müsse sich weiterhin an den "Bemühungen zur Beendigung der Tyrannei von Nicolás Maduro beteiligen", forderte er.

Kolumbiens Präsident Iván Duque empfing Guaidó, der Venezuela trotz eines Ausreiseverbotes verlassen hatte, zuvor als "legitimen Präsidenten Venezuelas" mit militärischen Ehren.

Der Oppositionspolitiker nahm am Dienstag in Kolumbiens Hautstadt auch an einer regionalen "Konferenz über den Kampf gegen den Terrorismus" teil, zu der die Außenminister von 21 lateinamerikanischen Staaten1, den USA und Kanada sowie Guaidó als Vertreter Venezuelas eingeladen waren. Mexiko und Uruguay nahmen als Beobachter teil, auch Israel war vertreten. Ziel der 3. Konferenz dieser Art war es, die Kooperation der Sicherheitsapparate der Teilnehmerstaaten weiter auszubauen.

Duque, Pompeo und Guaidó machten angebliche "Bedrohungen durch ELN und Hisbollah in Lateinamerika und deren Präsenz in Venezuela" zu einem der Hauptthemen. Die kolumbianische Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional, ELN) und "Netzwerke" der schiitischen Partei und Miliz Hisbollah aus dem Libanon agierten von venezolanischem Territorium aus.

Duques Äußerungen wurden in den sozialen Netzwerken mit Empörung und Spott kommentiert: Der Präsident wisse, dass es Hisbollah-Zellen in Venezuela gebe, aber er wisse nicht, wer die sozialen Anführer in Kolumbien ermordet und wer die paramilitärischen Aguilas Negras sind und dass die Los Rastrojos Verbündete sind.

"Wir alle wissen, dass das iranische Regime mit seinem bewaffneten Arm Hisbollah in Venezuela ist. Das ist inakzeptabel", sagte Pompeo bei seiner Konferenzrede.

Die Gesandte Guaidós in Großbritannien, Vanessa Neumann, erklärte gegenüber Medienvertretern dazu, die "Präsenz der Hisbollah ist Teil des Todes und Leidens meines Volkes". Ihr Anführer Hassan Nasrallah mische sich in die venezolanische Politik ein und schule chavistische Funktionäre darin , "das Volk zu ermorden, auszuhungern und zu unterdrücken".

Im Abschlusskommuniqué der Konferenz heißt es neben allgemeinen Verurteilungen des Terrorismus, die Aktivitäten der ELN seien eine Gefahr für die Stabilität der Region. Man sei zudem "besorgt, dass Terrororganisationen in Situationen institutioneller Schwäche, interner Konflikte oder ähnlicher Situationen wie z.B. in Venezuela Zuflucht nehmen könnten, um terroristische Akte und kriminelle Aktivitäten in der Region zu verstärken".

Die USA und Vertreter der Rechten in Lateinamerika haben seit Jahren wiederholt eine Präsenz der Hisbollah in Venezuela behauptet, ohne Belege vorzubringen. Begonnen hatte dies, als der damalige Präsident Hugo Chávez Anfang der 2000er Jahre die Beziehungen zum Iran intensivierte und die beiden Länder ihre Zusammenarbeit in der Opec aufnahmen sowie zahlreiche bilaterale Wirtschafts- und Energieabkommen schlossen. Für Chávez war diese Kooperation nach eigenen Aussagen Teil seiner Bemühungen zum Aufbau einer "multipolaren Welt, die die Hegemonie des Dollars beendet".

Auch der Vorwurf, die ELN und/oder die Farc-EP ‒ die beide seit ihrer Gründung in den 1960er Jahren auch in den Grenzregionen Kolumbiens operieren ‒ zu "beherbergen", zu finanzieren, auszubilden oder zu steuern, wird gegen die linke Regierung seit dem Amtsantritt von Chávez stetig vorgebracht, ohne Nachweise zu erbringen.

Am heutigen Donnerstag wird Guaidó in Davos beim Weltwirtschaftsforum erwartet. In einer Pressemitteilung der Veranstalter heißt es, "der Präsident der venezolanischen Nationalversammlung, und von mehr als 50 Ländern als Interimspräsident Venezuelas anerkannt", nehme an der jährlich stattfindenden Konferenz teil. Guaidó sei als ein Mitglied der "Young Global Leaders Community" des Forums "in der Tradition eingeladen worden, aufstrebenden Führungspersönlichkeiten eine internationale Bühne zu bieten".

  • 1. Argentinien, Bahamas, Belice, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Guyana, Haití, Honduras, Jamaica, Kolumbien, Panama, Paraguay, Peru, Santa Lucía, Trinidad und Tobago