"Ihr seid nicht alleine!": Zweites Internationales Frauentreffen der Zapatistinnen in Mexiko

Gewalt gegen Frauen im Mittelpunkt. Erschütternde Einblicke. Neoliberale Politik der Regierung wird mitverantwortlich für Gewalt gemacht

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Über 3.000 Teilnehmerinnen fanden sich beim zweiten Internationalen Frauentreffen der Zapatistinnen ein
Über 3.000 Teilnehmerinnen fanden sich beim zweiten Internationalen Frauentreffen der Zapatistinnen ein

Caracol Morelia, Chiapas. Auf dem Gebiet des autonomen Verwaltungszentrums im mexikanischen Caracol Morelia hat zwischen dem 27. und 29. Dezember das zweite internationale Frauentreffen der Zapatistinnen stattgefunden. Mit einer Kundgebung und einer eindrucksvollen Militärparade der Frauenmiliz der Nationalen Zapatistischen Befreiungsarmee (Ejército Zapatista de Liberación Nacional, EZLN) war das Festival eingeleitet worden.

Sprecherin Comandanta Amanda begrüßte die 3.259 angereisten Teilnehmerinnen aus insgesamt 49 Ländern: "Der Schmerz und die Wut über die Gewalt, die wir Frauen erleiden müssen, hat uns an diesem Ort zusammengeführt". Seit dem ersten zapatistischen Frauentreffen im März 2018 (amerika21 berichtete) sei die Zahl an "vergewaltigten, vermissten und ermordeten Frauen" weltweit gestiegen. Die Zapatistinnen erklärten, dass sie Zweifel gegenüber staatlichen Programmen zu Frauenrechten hegen, da diese aus einem kapitalistischen System entspringen und patriarchale Strukturen reproduzieren würden: "Wir Zapatistas sind anti-kapitalistisch und anti-patriarchal zugleich, denn wir verstehen die Gewalt an Frauen aus ihren systemischen Strukturen heraus."

Eine der Schlüsselaktivitäten des Festivals mit dem Titel "Gewalt an Frauen" bildete das offene Mikrofon der "Anklagen" (denuncias). Dabei luden die Zapatistinnen die Teilnehmerinnen dazu ein, öffentlich über persönliche Erfahrungen mit chauvinistischer Gewalt zu berichten. Obwohl dieser Programmpunkt nur für den ersten Tag vorgesehen war, nahmen die Berichte von misshandelten Frauen über die gesamten drei Tage der Veranstaltung hinweg kein Ende. Unzählige fassten Mut und sprachen über Erfahrungen mit häuslicher, struktureller oder rassistischer Gewalt. Frauen aus Ländern wie Mexiko, Honduras oder El Salvador gaben intime Einblicke über erschütternde Erfahrungen im Kontext der Kriminalisierung von Abtreibungen. Eine junge Mexikanerin berichtete etwa, wie sie zur Behandlung von schweren Blutungen in einem Krankenhaus eingeliefert wurde. Nachdem man festgestellte hatte, dass sie im vierten Monat schwanger gewesen war, beschuldigten sie die behandelten Ärzte eines beabsichtigten Schwangerschaftsabbruchs und verweigerten ihr die Weiterbehandlung. Sie wäre infolge des Blutverlustes beinahe ums Leben gekommen.

Daniela Torrentera, eine junge Aktivistin des Frauenförderungs-Netzwerks "Siempre Vivas" des mexikanischen Bundesstaats Baja California, erklärte gegenüber amerika21, dass sie den Mut der Teilnehmerinnen und die Einblicke in ihre Erfahrungen mit chauvinistischer Gewalt sehr wertschätze. Sie würden ihr dabei helfen zu verstehen, dass die vielen sich ähnelnden Fälle alle einen gemeinsamen Kern hätten: "Es ist ein gesamtes System, das Gewalt an Frauen generiert, aufrechterhält und reproduziert". In Mexiko spielten dabei neoliberale Projekte der amtierenden Regierung eine ausschlaggebende Rolle: "Diejenigen, die in erster Linie von diesen Projekten betroffen sind, sind Frauen und ihre Körper". Aktivistinnen wie Torrentera nutzten die Tage der Zusammenkunft dazu, sich grenzübergreifend zu vernetzen, um gemeinsame Strategien für "den Kampf gegen das patriarchal-kapitalistische System" zu finden.

Immer wieder äußerten die Teilnehmerinnen ihre Dankbarkeit gegenüber den Zapatistinnen dafür, einen Raum des Vertrauens geschaffen und das Festival ein zweites Mal realisiert zu haben. Während der drei Tage des persönlichen, politischen und künstlerischen Austauschs hielten sich die Zapatistinnen eher im Hintergrund auf und sorgten sich um die Planung, Organisation, Logistik, Moderation, Verpflegung und Sicherheit der Teilnehmerinnen.

Eine Zapatistin mittleren Alters, die aus dem autonomen Verwaltungszentrum La Realidad zur Unterstützung angereist war, berichtete amerika21 gegenüber, dass sie jeden Morgen um fünf Uhr aufstehe, um Essen vorzubereiten. Ihr Tag ende erst nach dem späten Abendessen und der anschließenden Nach- und Vorbereitungen gegen zwei Uhr morgens. Obwohl die Arbeit in der Küche hart sei, mache es ihr nichts aus, während dieser Tage nur wenig Schlaf zu finden: "Es macht mich sehr traurig zu hören, wie viele Frauen an schrecklichen Gewalttaten gelitten haben. Gleichzeitig freue ich mich darüber, dass sie zu uns finden, um ihren Schmerz mit uns zu teilen. Dafür sind wir hier".

Erst zur Abschlusskundgebung ergriffen die Zapatistinnen wieder öffentlich das Wort. Es sei kaum zu glauben, dass "von Fortschritt, Modernität und großen Entwicklungen in dieser Welt geredet wird und es dabei so Wenige gibt, die sich vom Unglück, dem Schmerz und der Hoffnungslosigkeit der Frauen bewegen lassen". Mit ermutigenden Worten sicherten sie den Teilnehmerinnen Unterstützung zu: "Ihr seid nicht alleine! Wir sind Frauen, die kämpfen. Wir verraten uns nicht, wir geben nicht auf und wir geben auch nicht nach". Die Teilnehmerinnen wurden mit der Aufgabe verabschiedet, sich zu organisieren und international zu verknüpfen. Im Zeichen des gemeinsamen Kampfes verkündeten die Zapatistinnen bereits für den 8. März einen kollektiven Aktionstag.