Bolivien / Politik

Parlament in Bolivien ebnet Weg für Neuwahl ohne Evo Morales

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Verhandlungen im Senat von Bolivien über Neuwahlen
Verhandlungen im Senat von Bolivien über Neuwahlen

La Paz. Der Senat des bolivianischen Parlaments hat am Samstagnachmittag (Ortszeit) einstimmig den Entwurf für ein Gesetz angenommen, das den Weg zu Neuwahlen ebnen soll. Der Gesetzentwurf sollte ohne weitere Umwege der Abgeordnetenkammer zugeleitet werden, um umgehend mit den Beratungen in beiden Kammern zu beginnen. Präsident Evo Morales und sein Vize Álvaro García Linera wären demnach von Neuwahlen ausgeschlossen.

Die Vorlage sieht auch die Neubesetzung des Obersten Wahlgerichts (TSE) binnen 20 Tagen vor. Vor allem aber soll der rechtliche Rahmen für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 geschaffen werden.

Die Verhandlungen zwischen Vertretern des De-facto-Regimes und der Mehrheitsfraktionen der Bewegung zum Sozialismus (MAS) von Evo Morales sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Bei dem Treffen zwischen den Machthabern und der MAS, bei dem die aus Katholischer Kirche und Europäischer Union (EU) bestehende Vermittlungskommission anwesend war, forderte das MAS-Lager ein Ende der Verfolgung seiner Mandatsträger und Funktionäre. Angesichts dieser Forderung wurde eine "Sonderkommission" zur Einzelfalluntersuchung eingerichtet. Die Vermittlungskommission wird am gesamten Prozess beteiligt sein.

"Das Bestmögliche wurde erreicht: Neuwahlen werden stattfinden, mit neuen Mitgliedern und völliger Transparenz", sagte die Präsidentin des Senats, Eva Copa (MAS). Sie versicherte, dass das Plenum des Oberhauses ab Samstagmorgen die Gesetze für eine vorgezogene Wahl diskutieren und anschließend verabschieden wird.

Die endgültige Einigung wurde nach mehr als siebenstündigen Verhandlungen außerhalb des Parlaments erzielt. Einer der Artikel des Gesetzentwurfes wird Grenzen für die Wiederwahl von Mandatsträgern setzen. "Es wird eine Bestimmung geben, die besagt, dass eine Person nur für zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten eine Position einnehmen kann, die durch die politische Verfassung des Staates definiert ist", sagte Oscar Ortiz, Politiker der rechtskonservativen "Demokratisch Sozialen Bewegung" (Movimiento Demócrata Social) aus dem oppositionell geprägten Santa Cruz und Präsident des Verfassungsausschusses des Senats.

Dieser Artikel würde bedeuten, dass Evo Morales und Álvaro García Linera, die sich seit dem 12. November in Mexiko im Asyl befinden, bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten können. Eine erneute Kandidatur war vom harten Kern der MAS gefordert worden, der von Senatorin Adriana Salvatierra angeführt wird.

An den Neuwahlen sollen alle beim TSE eingetragenen politischen Gruppierungen teilnehmen können. Damit ist auch der Antritt für Parteien gesichert, die bei den Wahlen vom 20. Oktober so wenig Stimmen erhalten haben, dass sie von weiteren Urnengängen eigentlich ausgeschlossen würden. Die Regelung begünstigt mehrere rechte Kleinparteien, die bei den letzten Wahlen zum Teil weit unter fünf Prozent geblieben sind.

Morales war am 12. November zusammen mit seinem Vize García Linera außer Landes geflohen, nachdem sich Polizei und Armee auf die Seite der Opposition geschlagen hat. Der Präsident gibt an, seine Gegner hätten ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Mandatsträger der MAS werden von De-facto-Regime verfolgt, Familien bedroht, Polizei und Armee haben mehr als 30 Putsch-Gegner erschossen. Während die Putschisten ihr Vorgehen mit angeblichem Wahlbetrug am 20. Oktober begründeten, hat die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) bislang keine Belege vorgelegt (eine Analyse des OAS-Berichtes finden Sie hier).

Indes lehnte das De-facto-Regime einen Gesetzesentwurf ab, mit dem die Parlamentsmehrheit der MAS eine Amnestie für Morales und García Linera erreichen will. Machthaberin Áñez weigerte sich, dieses Gesetz zu unterzeichnen. Sie behauptet, Morales habe Anhänger telefonisch zu bewaffneten Protesten aufgerufen und ließ eine entsprechende Tonaufnahme veröffentlichen. Allerdings ist unklar, ob in der Aufnahme tatsächlich Morales zu hören ist. Die Anzeige gegen den Präsidenten dürfte daher von keinem seriösen Gericht behandelt werden. Dennoch reichten Vertreter des De-facto-Regimes sogar Anklage wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" – ein völkerrechtlicher Straftatbestand – gegen Morales vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) im niederländischen Den Haag ein. Entsprechende öffentliche Ankündigungen hatten auch Regierungsgegner in Venezuela im Fall von Ex-Präsident Hugo Chávez und seinem Nachfolger Nicolás Maduro mehrfach gemacht. Der IStGH äußert sich zum Verlauf solcher Untersuchungen nicht. Zu einem Prozess kam es jedoch nie.