La Paz. Inmitten der anhaltenden Proteste gegen den Putsch in Bolivien und der massiven Repression seitens der Sicherheitskräfte haben Anhänger der De-facto-Regierung unter Senatorin Jeanine Áñez Anzeige gegen Präsident Evo Morales erstattet.
Der Parlamentsabgeordnete der Partei Unidad Demócrata, Rafael Quispe, und Rechtsanwalt Omar Durán haben beantragt, ein Verfahren wegen "Terrorismus, bewaffnetem Aufstand, öffentlicher Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens" und anderer Straftaten gegen Morales einzuleiten. Damit soll er strafrechtlich verantwortlich gemacht werden für den Widerstand gegen den Staatsstreich sowie für die Toten und Verletzten infolge der Einsätze dagegen von Polizei und Militär.
Seit seiner Ankunft in Mexiko habe Morales durch Interviews mit Medien und Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken "Hass, Gewalt, Diskriminierung, Rassismus und Aufruhr befördert", heißt es laut der Nachrichtenagentur Fides in der Anzeige. Morales‘ Verhalten habe zu Toten geführt, bei den Protestierenden seien zudem Waffen und Geld gefunden worden. All dies sei "typisch für das Verbrechen des bewaffneten Aufstands, des Aufruhrs, der Verschwörung", sagte Quispe gegenüber der Presse. Den Staatsanwalt von La Paz, William Alave, forderte er auf, die Ermittlungen zu beschleunigen, weil er sonst selbst Delikte wie die Vertuschung von Straftaten und Pflichtverletzung begehe. Der Kongressabgeordnete sagte weiter, dass Morales, wenn er nach Bolivien zurückkehre, direkt ins Chonchocoro-Gefängnis gehen werde. Rechtsanwalt Durán ergänzte, die Anzeige umfasse zehn Verbrechen im Zusammenhang mit Terrorismus.
Verfolgt man die zahlreichen Interviews mit Agenturen wie Reuters oder Efe und Zeitungen aus aller Welt sowie die Tweets des Präsidenten seit seiner Ankunft in Mexiko, ist jedoch festzustellen, dass Morales nicht nur wiederholt zum Dialog und zur Befriedung des Landes aufgerufen, sondern auch seine Bereitschaft bekundet hat, daran aktiv mitzuwirken. So zuletzt in Gesprächen mit BBC Mundo und Al Jazeera am 16. und 17. November. Er suche nach einer legalen Möglichkeit, zurückzukehren und an der Seite der Menschen zu sein, die sich gegen die Diktatur, den Putsch wehren, sagte er gegenüber Al Jazeera. Es gehe darum, den Frieden im Land wiederherzustellen. "Ich weiß nicht, warum sie solche Angst vor Evo haben. Sie wollen nicht, dass ich mich beteilige, das ist in Ordnung. Alles für das Leben, für die Demokratie. Ich ziehe meine Kandiatur zurück, aber sie sollen mich meine Amtszeit beenden lasse, verstehen Sie?".
Vergangene Woche hatte Áñez Präsident Morales damit gedroht, dass er sich bei seiner Rückkehr in das Land vor der Justiz werde verantworten müssen, und zwar wegen Wahlbetrugs. Allerdings sind auch vier Wochen nach den Präsidentschaftswahlen noch keine dokumentierten Belege für die behaupteten Wahlfälschungen, die den Putsch begründen sollen, öffentlich zugänglich gemacht geworden.
Der Innenminister der De-facto-Regierung, Arturo Murillo, hatte bereits am Sonntag die Schaffung eines "Spezialapparates der Staatsanwaltschaft" angekündigt, um Abgeordnete der Bewegung zum Sozialismus (MAS) von Präsident Morales festnehmen zu lassen. "Es gibt Senatoren und Abgeordnete die zum Aufstand aufrufen", so Murillo, der angab, bereits über schwarze Listen mit Namen politischer Gegner zu verfügen. Zugleich behauptete er, hinter den Protesten gegen den Putsch stünde die organisierte Kriminalität. "Der Drogenhandel unterstützt das alles", sagte der rechtsgerichtete Politiker: "Wir sehen uns kriminellen Gruppen gegenüber." Zuvor hatte Murillo den Präsidialamtsminister aus dem Morales-Kabinett offen bedroht: "Er sollte anfangen zu rennen", sagte Murillo, der Juan Ramón Quintana "jagen" will. Er sei "ein Tier, das sich vom Blut der Menschen ernährt".
Unter dem Eindruck der Kriminalisierung und massiven Bedrohung sagte die Präsidentin des bolivianischen Senats, Eva Copa, eine geplante Sitzung der Plurinationalen Legislativen Versammlung – des Zweikammerparlaments – am Dienstag ab. Die MAS-Abgeordneten haben in beiden Kammern eine solide Zwei-Drittel-Mehrheit und wollten selbst Neuwahlen ansetzen sowie das Wahlgericht neu besetzen. Vertreter des De-facto-Regimes waren diesem Ansinnen entschieden entgegengetreten, hatten mit Festnahmen der Abgeordneten gedroht und wollen nun per Dekret Neuwahlen unter eigener Kontrolle anberaumen.