Uruguay / Politik

Wahlsieg der regierenden Frente Amplio in Uruguay an diesem Sonntag ungewiss

Linkskandidat Daniel Martinez könnte nötige Stimmenzahl knapp verfehlen. Opposition plant Bündnis für Stichwahl und Regierungsbildung

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Feiern zum 47. Jahrestag der Gründung der Frente Amplio in Uruguay 2018
Feiern zum 47. Jahrestag der Gründung der Frente Amplio in Uruguay 2018

Montevideo. Nach Umfrageergebnissen wird die Linke in Uruguay bei der Präsidentschafts- und Parlamentswahl am morgigen Sonntag die erste Runde gewinnen. Doch die regierende “Breite Front” (Frente Amplio, FA) könnte die nötige Mehrheit nicht erreichen und sich im November einer Stichwahl stellen müssen. Deren Ausgang ist indes ungewiss. Nach jüngsten Umfragen käme sie auf 43, die rechte Koalition auf 47 Prozent.

Die fehlende Zustimmung für die FA geht vor allem auf Kritik aus dem linken Lager zurück. Gründe sind eine zeitweise Misswirtschaft in der staatlichen Erdölraffinerie Ancap, hohe Gehälter der Abgeordneten, Umweltprobleme der Agrarindustrie, hohe Lebensmittel- und Benzinpreise, das Haushaltsdefizit sowie die Millionenforderungen internationaler Konzerne wegen gescheiterter Großprojekte.

Andererseits haben die Errungenschaften in allen Bereichen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft das Land in den drei Regierungsperioden der Linken entscheidend positiv verändert.

Laut den letzten Umfragen würde der FA-Kandidat Daniel Martínez bei der Stichwahl im November zwischen 42 und 46 Prozent der Stimmen erhalten. Für einen Sieg sind 50 Prozent und eine Simme nötig.

Während der Diktatur (1973-85) kämpfte Martínez als Student in der sozialistischen Partei und war später Mitglied des Zentralkommitees. Er leitete zeitweise ein Ingenieurbüro, war Gewerkschafter, Präsident von ANCAP, Industrieminister, Senator und zuletzt Bürgermeister von Montevideo.

In seinem Regierungsprogramm setzt er unter anderem auf die Schulung von 400.000 Arbeitnehmern in den kommenden Jahren, um sie auf den Wandel durch Technologien in der Arbeitswelt vorzubereiten. Die Rohstoffwirtschaft soll hin zu einer modernen Produktion überwunden werden. Auch die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sollen durch Qualitätsverbesserungen Märkte erobern, wobei das Land heute neben der Agrarwirtschaft und dem Tourismus in erster Linie auf dem Gebiet der Software und der Robotertechnik wachsende Chancen hat. Umweltthemen erhalten mehr Gewicht als bisher. Das Haushaltsdefizit soll durch erhöhte Wirtschaftsaktivität und keinesfalls durch drastische Sparmaßnahmen reduziert werden, um den Binnenmarkt nicht zu gefährden.

Luis Lacalle Pou, Kandidat der rechten Partido Nacional (Nationalpartei), vertritt ein neoliberales Wirtschaftskonzept und sprach bis vor kurzem noch von einer “Schocktherapie” zur Sanierung des Haushaltsdefizits. Angesichts der dramatischen Entwicklung im Nachbarland Argentinien aufgrund dieser Politik spricht er nun jedoch von einem “Abfedern” seiner Maßnahmen. Mehrere tausend Beamte sollen entlassen werden. Er will zudem die Tarifverhandlungen abschaffen, sie sollen nur noch für den Mindestlohn gelten, von dem niemand leben kann. Die bisherige automatische Anpassung der Löhne an die Inflationsrate soll wegfallen. Die Zunahme der Kriminalität, vor allem im Drogenbereich, ist sein zentrales Wahlkampfthema. Er hat bisher dazu aber keine konkreten Vorschläge gemacht, sondern sich auf Kritik an der Regierung konzentriert. Wenig Verständnis bringt er für die LGBT-Bewegung auf und stimmte gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.

Der von Präsident Tabaré Vázquez vorzeitig aus dem Dienst entlassene Kommandeur der Streitkräfte, General Guido Manini Rios, tritt mit seiner Partei Gabildo Abierto (Offene Versammlung) an. Er verzeichnet einen raschen Stimmenzuwachs von bis zu zwölf Prozent und ist nun die dritte Kraft. Gegen Manini ermittelt die Justiz: Er verheimlichte ein Jahr lang ein Geständnis des Ex-Soldaten, Serienmörders und Folterers aus der Diktatur, Nino Gavazzo. Dieser hatte vor dem Ehrentribunal der Streitkräfte gestanden, den als Verschwunden geltenden Roberto Gomenzoro aus dem Flugzeug in den Fluss Rio Negro geworfen zu haben.

In seiner Kampagne vertritt er neoliberale Ideen und will die von Vázquez abgeschafften Privilegien der Versicherten in der defizitären Rentenkasse der Militärs wiederherstellen. Das hat ihm großen Zuspruch von Soldaten und ihrer Familien eingebracht. Früher konnten diese mit 38 nach 20 Dienstjahren in Rente gehen, heute müssen sie 60 Jahre alt sein und einen 30-jährigen Dienst vorweisen.

Der Kandidat der Colorado-Partei, Ernesto Talvi, deutete zu Beginn der Wahlkampagne eine mögliche Koalition mit den links-progressiven Kräften an. Martínez sei ihm näher als der reaktionäre Manini Rios. Doch inzwischen ist er zu einer Zusammenarbeit mit dem Rechtsaußen bereit. Seine Umfragewerte fielen ab September hinter Manini zurück.

Lacalle will alle Strömungen in einer Koalition der Mitte-rechts-Parteien unter Einschluss von Manini Rios vereinen. Das ist die einzige Möglichkeit, die Stichwahl zu gewinnen. Doch es zeigen sich erste Risse.

Die sich selbst als sozialdemokratisch bezeichnende Partei der Unabhängigen (PI) mit ihrem Kandidaten Pablo Mieres kündigte bereits an, sich auf keine Koalition mit dem Ex-General einzulassen. Die PI erhält nur knapp 1,6 Prozent der Stimmen. Zusammen mit den anderen Kleinparteien könnte sie jedoch das Zünglein an der Waage im Parlament und bei der Regierungsbildung sein. Dazu gehören die Öko-Partei PERI mit zwei und die Linkspartei Unidad Popular (Volkseinheit) mit einem Prozent.