Bolivien / Politik

Bolivien: Präsident Evo Morales steht vor vierter Amtszeit

Letzte Umfragen sehen amtierenden Präsidenten vorn. Opposition hat bereits angekündigt, einen Wahlsieg von Morales nicht anzuerkennen

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Evo Morales bei der Abschlusskundgebung der Wahlkampagne in La Paz
Evo Morales bei der Abschlusskundgebung der Wahlkampagne in La Paz

La Paz. Am Sonntag finden die Präsidentschaftswahlen in Bolivien statt. Der jetzige Amtsinhaber Evo Morales tritt an, um zum vierten Mal gewählt zu werden. Sein wichtigster Gegenspieler auf der Seite der Oppositionsparteien ist Ex-Vizepräsident Carlos Mesa. Ihm werden jedoch nur geringe Chancen eingeräumt.

Morales ist seit 14 Jahren im Amt und damit derzeit der dienstälteste Staatschef Lateinamerikas. In Bolivien herrscht Wahlpflicht für alle Bolivianerinnen und Bolivianer über 18 Jahre. Das Land hat gut elf Millionen Einwohner, 7.315.364 Personen sind wahlberechtigt. Neben Präsident und Vizepräsident werden 130 Abgeordnete und 36 Senatoren für die Periode 2020 bis 2025 gewählt. Um in der ersten Runde zu gewinnen, muss einer der Kandidaten mehr als  50 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen oder mindestens 40 Prozent mit einem Abstand von zehn Prozentpunkten zum Zweitplazierten erreichen. Andernfalls findet im Dezember ein zweiter Wahlgang statt.

Der Weg zu einer erneuten Kandidatur von Morales war steinig. Die regierende Bewegung zum Sozialismus (MAS) ließ 2016 in einem Referendum darüber abstimmen, ob eine vierte Amtszeit eines Präsidenten möglich sein soll, und verlor. Nach einer Beschwerde der MAS erlaubte das Verfassungsgericht jedoch die unbegrenzte Wiederwahl bei Präsidentschafts-, Parlaments- und Regionalwahlen. Das Gericht argumentierte, eine Begrenzung schränke die politischen Rechte ein, die Bolivien mit der Unterschrift der Amerikanischen Menschenrechtskonvention von 1969 anerkannt habe. Artikel 256 der Verfassung besagt, dass Menschenrechte in internationalen Verträgen dann Vorrang vor nationalem Recht genießen, sofern sie diese begünstigen. Die Menschenrechtskonvention sei in Bezug auf die politischen Rechte die vorrangige Gesetzgebung. Die rechte Opposition versuchte daraufhin, die Bevölkerung und internationale Verbündete gegen Morales zu mobilisieren. Auch ersuchte sie die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die erneute Kandidatur des amtierenden Präsidenten nicht anzuerkennen, scheiterte damit jedoch. Die OAS erklärte den Wahlprozess für legitim.

Wie die Präsidentin des Obersten Wahlgerichtshofs in Bolivien, Maria Eugenia Choque, informierte, werden am Sonntag mehr als 200 Beobachter internationaler Organisationen anwesend sein, unter ihnen 99 akkreditierte Diplomaten, 92 Vertreter der OAS, 24 der Interamerikanischen Union der Wahlbehörden (Uniore) und zwei der Europäischen Union. Darüber hinaus sollen Abgeordnete des Europaparlaments sowie Gesandte des britischen Außenministeriums und des Observatoriums für Lateinamerika und die Karibik des Pariser Instituts für Politik an der Wahlbeobachtung teilnehmen.

Rückhalt hat Morales vor allem unter der indigenen Bevölkerung und Kleinbauern, stieß jedoch auch auf viel Kritik. So hatten indigene Gemeinschaften ihm vorgeworfen, sie im Stich zu lassen, etwa in der Auseinandersetzung um einen großen Staudamm am Fluss Beni oder bei den jüngsten Bränden im Amazonasgebiet.

Die rechte Opposition hatte zuletzt auch mit Gewaltaktionen versucht, gegen die Regierung zu mobilisieren und sie mit dem Vorwurf zu diskreditieren, verantwortlich für die Entstehung der Brände und untätig bei deren Bekämpfung zu sein.

Bolivien hat sich in der Regierungszeit von Morales sozial und wirtschaftlich gut entwickelt. Er wolle weiter dazu beitragen, dass das Land wirtschaftlich wachse, so Morales im Wahlkampf. Er setzt vor allem auf Infrastrukturprojekte, aber auch auf die Nutzung der Lithium-Vorkommen des Landes. Es sind die größten der Erde, die Ausbeutung soll mit deutschem Knowhow erfolgen. Bis 2022 soll die Anlage einsatzbereit sein, sodass Lithium im größeren Stil abgebaut und zu Lithium-Ionen-Batterien weiterverarbeitet werden kann. Aufgrund der befürchteten Umweltfolgen sind die Pläne zur Gewinnung des Rohstoffs für Batterien aber umstritten.

Morales versprach in seiner Rede bei der Abschlusskundgebung des Wahlkampfes, die extreme Armut bis 2025 auf fünf Prozent zu senken.

Die argentinische Philosophin Isabel Rauber wies unlängst in einem Interview zu den Wahlen in Bolivien darauf hin, dass es nicht allein um die mit Zahlen belegbaren Erfolge der MAS-Regierungen im Sozialen und Wirtschaftlichen gehe. In dem Land habe eine "demokratisch-kulturelle Revolution" stattgefunden: Heute scheine es einfach, dass eine indigene Ministerin im Amt ist, "aber vor fünfzehn Jahren konnten Indigene nicht mal auf der gleichen Straßenseite gehen wie Weiße".

Die Chancen, dass der erste indigene Präsident Boliviens eine vierte Amtszeit antreten wird, stehen nach letzten Umfragen gut: Er liegt 18 Prozentpunkte vor seinem Widersacher Carlos Mesa. Die MAS von Morales kommt demnach auf 40, die Comunidad Ciudadana von Mesa auf 22 Prozent der Stimmen. Oscar Orti von der Bewegung Bolivien sagt Nein, die nach dem Referendum große Demonstrationen und Streiks gegen die Regierung auf die Beine gestellt hatte, liegt dezeit mit 10 Prozent auf Platz 3.

Die Opposition erklärte im Vorfeld der Wahl mehrfach, dass sie einen Wahlsieg von Morales nicht anerkennen werde. Mesa äußerte erst kürzlich wieder in einem Interview, er erkenne "die illegale Kandidatur" von Morales nicht an, zudem könne dieser nur durch "ein wahres Wunder" gewinnen. Er befürchte und habe Beweise, dass ein Wahlbetrug im Gang sei.

Präsident Morales hatte nach wiederholten derartigen Äußerungen vor der Gefahr eines Putsches gewarnt.