Asunción/La Paz. Nicht nur im brasilianischen Amazonasgebiet wüten derzeit die Flammen: Auch in den Nachbarländern Bolivien und Paraguay stehen große Areale in Flammen – unter anderem im "kleinen Bruder" des Amazonas, dem Gran Chaco. In Paraguay sollen die Brände dort bisher rund 40.000 Hektar allein im Naturschutzgebiet Pantanal Paraguayo vernichtet haben. Der Chaco ist nach dem Amazonas die zweitgrößte Waldregion in Südamerika und erstreckt sich über den Norden von Argentinien, den westlichen Teil Paraguays und den Südosten von Bolivien und Brasilien.
Ein deutlich größeres Ausmaß haben die Verluste bereits in Bolivien angenommen: In der Region Chiquitania der östlichen Provinz Santa Cruz sind nach Angaben des Umweltministeriums vom Montag schon mindestens 750.000 Hektar Weideland und Wald den Feuern zum Opfer gefallen. Im Kampf gegen die Flammen seien dort nach offiziellen Angaben mindestens 4.000 Feuerwehrleute, Soldaten und freiwillige Helfer im Einsatz. Die bolivianische Regierung setzt zudem das Löschflugzeug "Supertanker" ein. Dabei handelt es sich um eine umgebaute Boeing 747 eines US-Unternehmens, die mit jedem Flug rund 72.000 Liter Wasser abwerfen kann. Als Ursache für die rasche Ausbreitung des Feuers gilt die seit Monaten anhaltende Dürre in der Region. Die Behörden ermittelten derzeit in zehn Fälle illegaler Brandrodung in Santa Cruz, teilte der Polizeichef von Chiquitania am Dienstag mit.
Auch in Paraguay beteiligen sich zahlreiche freiwillige Helfer und das Militär an der Löschung der Feuer. Paraguays Präsident Mario Abdo Benítez reiste erst am Montag in die Region Bahía Negra, Chaco, um die Ausmaße der Katastrophe zu begutachten. Bolivien und Paraguay einigten sich nun darauf, gemeinsam gegen die gigantischen Waldbrände vorzugehen. So sollen Maßnahmen zur Löschung per Flugzeug und auf dem Boden koordiniert werden.
Unterdessen befürchtet auch Peru eine Ausweitung der Brände. Daher hat das Land die Überwachung in der Grenzregion zu Bolivien angeordnet. Die Naturschutzbehörde Sernanp twitterte: "Aus Gründen der Prävention und in Alarmbereitschaft überwachen mehr als 200 Waldfeuerwehrleute des Sernanp die Brände in den Amazonaswäldern Brasiliens und Boliviens Minute um Minute."
Anders als Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro nehmen die Präsident Boliviens, Evo Morales, und Paraguays, Mario Abdo Benítez, Hilfe aus dem Ausland an. Die kommt unter anderem aus Peru, Chile, Argentinien und auch von der Gruppe der 7 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA, G7). Diese hatte eine Soforthilfe über 20 Millionen US-Dollar zugesagt, mit der nach Angaben des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron vor allem Löschflugzeuge finanziert werden sollen. "Wir begrüßen die Position der G7, die ihre Bereitschaft bekundet, den von den Bränden im Amazonasgebiet betroffenen Ländern dringende Hilfe zu leisten", twitterte Morales.
Wie ihr brasilianischer Amtskollege werden Abdo Benítez und Morales von Umweltschützern scharf für ihre Umwelt- und Agrarpolitik kritisiert. Die Brände gelten als hausgemacht: Als Ursache der Feuer wird in Bolivien die Brandrodung gesehen, mit der aus Waldfläche landwirtschaftliche Nutzflächen geschaffen wird. Die Regierung Morales hatte erst am 9. Juli ein Dekret unterzeichnet, das die "kontrollierte Brandrodung" zur Gewinnung von Acker- und Weideland in den Amazonas-Provinzen Bení und Santa Cruz ausweitete. Begründet wurde die Maßnahme mit der "gestiegenen internen und externen Nachfrage nach Nahrungsmitteln". Die Anbauflächen und die landwirtschaftliche Produktion und Viehzucht müssten daher erweitert werden. In Paraguay wird der Chaco in den letzten Jahren zunehmend durch große Agrarbetriebe gerodet. Sie bauen vor allem Monokulturen wie Soja für den Export an und betreiben Viehwirtschaft. Der World Wildlife Fund (WWF) Paraguay rief nun in einer Stellungnahme die Regierung zu einer nachhaltigen nationalen Politik auf. "Die Auswirkungen von Waldbränden in unserer Region haben globale Auswirkungen", warnte die Organisation und forderte effiziente Kontrollmechanismen.
Während sich die internationale Öffentlichkeit vor allem um das Klima sorgt, weist ein Zusammenschluss einiger indigener Organisationen der Amazonas-Region darauf hin, dass viele Gemeinschaften ihre Lebensgrundlage durch die verheerenden Brände verloren haben. In einem offenen Brief erklärt die Koordination indigener Organisationen des Amazonas-Beckens (COICA) "ausgehend von unserer ursprünglichen Gesetzgebung, höherem Recht und Naturgesetz", die Regierungen von Jair Bolsonaro und Evo Morales für verantwortlich "für das physische, ökologische und kulturelle Verschwinden und den Völkermord, der derzeit im Amazonasgebiet stattfindet". Beide Regierungen seien im Amazonas-Becken unerwünscht." COICA fordert zudem internationale Unterstützung ein, damit die Grundbedürfnisse der betroffenen Menschen gedeckt und die biologische Vielfalt wiederhergestellt werden könne. "Das Gleichgewicht von Mutter Erde hängt vom Amazonasbecken ab und wenn man seine Zerstörung zulässt, bedeutet das die Vernichtung der Menschheit."