Brasilien / Wirtschaft

Petrobras privatisiert Tankstellennetz in Brasilien

Privatisierung von Petrobras soll ermöglicht werden. Stellung von Petrobras auf Weltmarkt in Frage gestellt

petrobras_offshore_brasilien_provatisierung_2019.jpg

Petrobras hat in den letzten Jahren die Ofshore-Anlagen vor Brasilien ausgebaut
Petrobras hat in den letzten Jahren die Ofshore-Anlagen vor Brasilien ausgebaut

Brasília. Brasiliens Vizepräsident General Hamilton Mourão hat den Verkauf von 30 Prozent der Aktien der Tochterfirma des staatlichen Erdölkonzerns Petrobras angekündigt. Petrobras ist die Betreiberin des größten Tankstellennetzes im Land. 2017 wurden bereits 27,5 Prozent der Aktien veräußert. Mit dem neuen Verkauf verlieren Petrobras und damit der brasilianische Staat nun die Kontrolle über diese Firma. Käufer ist die Gruppe Raizen, die zum Teil Shell gehört.

Die Privatisierung von Teilen des Konzerns wurde durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes im vergangenen Juni ermöglicht. Damit wurde der Verkauf von Tochtergesellschaften der staatlichen Konzerne erlaubt, ohne die Zustimmung des Parlaments einholen zu müssen.

Im Juni wurden auch bereits 90 Prozent der Tochterfirma TAG verkauft, Betreiberin der Erdgasversorgungsnetze im Norden und Nordosten Brasiliens. Käufer waren der französische Konzern Engie und die kanadische Caisse de Depót et Placement du Québec (CDPQ).

Im April wurde in einem strategischen Papier der Firma schon der Verkauf von acht Raffinerien sowie des Tankstellennetzes in Uruguay angekündigt. Bereits 2016 hatte man das Tankstellennetz der Firma Petrobras in Argentinien in einem Paket einschließlich Mehrheitsanteilen der Firma PESA an die Firma Pampa Energía für 892 Millionen US-Dollar verkauft. Das Paket enthielt auch das Erdgasverteilungsnetz Transportadora Gas del Sur, die Thermischen Zentrale Genelba, die hydroelektrische Zentrale Pichi Picún Leufú und zwei petrochemische Anlagen in Santa Fe und Bahía Blanca.

Marcelo Mindlin, Direktor von Pampa Energía, steht dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri nahe und übernahm von dessen Familie die Baufirma IECSA. Zusammen mit dem ebenfalls Macri nahestehenden Nicolas Caputo und seiner Firma Central Puerto rollen sie seit drei Jahren den argentinischen Energiemarkt auf und erwarben jüngst die vom argentinischen Staat privatisierten Thermoelektrischen Zentralen Brigadier Lopez und Ensenada de Barragán – für einen Preis, der deutlich unter den Baukosten lag.

Die einst mächtige Petrobras, die vor einigen Jahren sogar nach Angola expandierte, ist hoch verschuldet und ihr Ruf durch die Korruptionsskandale angeschlagen. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro sprach sich im April dieses Jahres erstmals für eine eventuelle Privatisierung des gesamten Konzerns aus. Dabei verfügt die Firma über ein begehrtes Kapital: Petrobras erforschte und erschloss in den letzten beiden Jahrzehnten die Kontinentalplatte vor der brasilianischen Küste. Die dort ausgemachten Erdölreserven werden auf rund 13,5 Milliarden Barrel geschätzt. Brasiliens Erdölreserven stehen damit weltweit an 15. Stelle. Unter der Regierung Lula da Silva wurde 2009 ein Gesetz über diese Offshore-Vorkommen verabschiedet ("Lei do Pre-Sal"), das die Exploitation dieser Vorkommen dem Staatskonzern vorbehält.

Wie kürzlich durch Publikationen der Wiki-Leaks bekannt wurde, hatte damals die konsularische Vetretung der Vereinigten Staaten an das US-State-Department die Frage gerichtet, ob die Öl-Wirtschaft dieses Gesetz hinnehmen würde. Auch durch Wiki-Leaks wurde bekannt, dass Petrobras vom US-amerikanischen und britischen Geheimdienst ausspioniert wurde. Der Sturz von Präsidentin Dilma Roussef und die Inhaftlierung des Präsidentschaftskandidaten Lula da Silvas ermöglichten den Aufstieg Jair Bolsonaros und änderten damit wesentlich das Szenario für Petrobras. Sollte die Privatisierung tatsächlich eintreten, würde Petrobras seine Stellung als gewichtiger Spieler auf dem internationalen Energiemarkt verlieren.