Tausende Indigene protestieren in Brasilien gegen Landraub

Neuer Bericht belegt Mitverantwortung von Firmen aus USA und Europa. Auch Konsumenten tragen zu Waldzerstörung im Amazonas bei

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Rund 4.000 Indigene protestieren vom 24. bis 26. April am brasilianischen Regierungssitz
Rund 4.000 Indigene protestieren vom 24. bis 26. April am brasilianischen Regierungssitz

Brasília. Rund 4.000 Indigene aus allen Regionen Brasiliens und aus Nachbarländern haben vom 24. bis 26. April am brasilianischen Regierungssitz campiert, um gegen zunehmende Menschenrechtsverletzungen und den Verlust von Landrechten unter der neuen Regierung von Präsident Jair Bolsonaro zu protestieren.

Das dreitägige Protestcamp findet jährlich zur Erinnerung an das Massaker an 19 Landlosen durch die Militärpolizei von Eldorado dos Carajás im Bundesstaat Pará im Jahr 1996 statt.

Die Indigenen trafen sich mit dem Gouverneur des Hauptstadt-Distrikts und nahmen an einem offiziellen Akt im Obersten Gerichtshof teil. Sie fordern unter anderem, dass die Indigenenbehörde Funai vom Ministerium für Frauen, Familien und Menschenrechte wieder zurück ans Ministerium für Justiz und öffentliche Sicherheit übertragen wird, dem sie bisher unterstand.

Die neue Regierung hat eine Reihe Maßnahmen erlassen, die die indigenen Rechte schwächen und ihre Lebensräume bedrohen. So entscheidet nun das Landwirtschaftsministerium über die Landverteilungsfragen und Indigenengebiete. In dem Ressort hat die mächtige Agrarlobby das Sagen. Zudem soll das Umweltstrafrecht verwässert und landwirtschaftliche Aktivitäten in Naturreservate und indigene Territorien nicht mehr bestraft werden.

Ferner kritisieren die Indigenen die Erleichterung des Schusswaffenbesitzes. Diese würden von Großgrundbesitzern immer wieder gegen Landlose, Indigene und Kleinbauern eingesetzt. Sie wenden sich auch  gegen die Auflösung des unter Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva eingerichteten Nationalen Rates für Ernährungssicherheit, der während der Regierungszeit der Arbeiterpartei Maßnahmen zur Stärkung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft durchgeführt und damit zu einer starken Reduzierung des Hungers in den ländlichen Regionen gesorgt hatte.

Zeitgleich hat die Nichtregierungsorganisation Amazon Watch erstmals in einem neuen Bericht enthüllt, wie Firmen mit großen Investoren in Europa und Nordamerika zur Zerstörung des Regenwaldes beitragen. Die Zerstörung des Amazonas-Urwaldes hat sich demnach unter Bolsonaro beschleunigt. Die lokalen Firmen werden auch aus Europa finanziert und mit ihnen Handel getrieben.

Obwohl eine Reihe der großen Soja-Produzenten, Rinderzüchter und Holzhändler erwiesenermaßen in illegale Abholzung, Korruption und Sklavenarbeit verwickelt sind, betreiben sie Geschäfte mit Firmen in China, der Europäischen Union und den USA. Das sind die drei größten Handelspartner Brasiliens. So finden sich laut Amazon Watch unter den Finanziers urwaldzerstörender Aktivitäten auch deutsche Großbanken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank.

Die brasilianische Lebensmittelfirma Argus des Eigentümers Arnaldo Andrade Betzel beliefert Bio-Supermärkte wie Denns und Alnatura mit Püree der vitaminreichen Urwaldfrucht Açaí. Gegen Betzel liefen wiederholt Verfahren wegen illegaler Abholzung im Bundesstaat Pará. Allein in den Jahren 2017 und 2018 wurde er deshalb zu 570.000 US-Dollar Geldstrafe verurteilt.

Auf seiner Facebook-Seite wirbt Betzel damit, dass seine Açaí-Marke Goola sich von anderen Herstellern unterscheide: Seine Firma gehöre zu einem Netzwerk von Personen, die im Einklang mit der Natur lebten, sich um die Menschen sorgten, die anpflanzten und ernten und so mit jedem Stückchen Açaí ethische und humane Arbeit beförderten.

Indigene und andere gesellschaftliche Organisationen warnen vor einem Rollback durch die aktuellen Gesetzesinitiativen zur Demontage indigener und Umweltrechte, die mit der Verfassung von 1988 nach Ende der Militärdiktatur (1964 – 1985) durchgesetzt worden waren. Mit der Bedrohung der Landrechte würden die Rolle der indigenen Gemeinschaften als jahrhundertelange Hüter des Amazonaswaldes sowie ihre Kulturen und ihr traditionelles Wissen gefährdet.

Die Koordinatorin des brasilianischen Dachverbands indigener Völker (APIB), Sônia Guajajara, bat auf einer Pressekonferenz von Amazon Watch auch die internationalen Konsumenten um Hilfe: Sie sollten Produkte des brasilianischen Agrobusiness aus Urwaldzerstörung boykottieren und die Regierung Bolsonaro auffordern, die effektive Demarkierung zum Schutz indigener Territorien umzusetzen und die Gewalt gegen indigene Völker zu beenden.

Der Hauptautor der Studie von Amazon Watch Christian Poirier fordert, die westlichen Banken und Handelsfirmen sollten ihre Marktmacht zugunsten des Klimaschutzes einsetzen. Sie sollen der brasilianischen Regierung signalisieren, dass sie nicht bereit sind, Produkte aus Urwaldzerstörung zu finanzieren und importieren. Nur durch internationalen Druck könne die Regierung Bolsonaro zum Einlenken bewogen werden, die brasilianischen Umweltpolitiken nicht weiter zu demontieren, so Poirier.