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Washington über Machterhalt der Regierung von Venezuela beunruhigt

Anhänger von Regierung und Opposition wieder in den Straßen. Erneute Stromausfälle. Guaidó will militärische Intervention anfordern

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"Frieden" steht für demonstrierende Chavisten im Mittelpunkt
"Frieden" steht für demonstrierende Chavisten im Mittelpunkt

Caracas/Washington. Das Ausbleiben eines raschen Sturzes der venezolanischen Regierung unter Präsident Nicolás Maduro hat dazu geführt, dass die US-Regierung dabei ist, die Situation neu zu bewerten. Dies berichtet die zweitgrößte spanischsprachige US-amerikanische Zeitung El Nuevo Herald, die in Miami, Florida, erscheint. Das einflussreiche Blatt beruft sich auf einen hochrangigen Diplomaten, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Der Machterhalt Maduros habe "Diplomaten, ausländische Führer und einige Beamte in Washington" zu der Ansicht gebracht, dass der Präsident Venezuelas "ohne eine Militärintervention dem Weg anderer autoritärer Führer folgen und sich trotz starker Sanktionen halten könnte." Der ökonomische Druck durch die Sanktionen der USA könnte möglicherweise nicht ausreichen, "wenn das venezolanische Volk sich nicht erhebt."

Die Zeitung berichtet weiter, dass Diplomaten aus mit Washington gegen Venezuela verbündeten Staaten sich von den Ergebnissen enttäuscht zeigten, nachdem sie von der US-Regierung ermutigt worden seien, den venezolanischen Oppositionsvertreter und selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó anzuerkennen.

Am Wochenende hatten sowohl die Regierung des krisengeschüttelten südamerikanischen Landes wie auch die Opposition erneut ihre Anhängerschaft zu Demonstrationen aufgerufen. Guaidó erklärte auf einer Kundgebung im nahe der Hauptstadt Caracas gelegenen Los Teques, dass er sich auf Artikel 187.11 der venezolanischen Verfassung berufen wolle, mit dem die Nationalversammlung des Landes eine ausländische militärische Mission authorisieren könne. "Natürlich werden wir uns auf 187 berufen. Wir haben hier nicht zwischen den Zeilen gesprochen. Hier haben wir sehr deutlich gesprochen", betonte der Oppositionsführer vor den Versammelten. Ein entsprechender Beschluss des entmachteten Parlaments liegt allerdings nicht vor.

Der führende Politiker der regierenden sozialistischen Partei Venezuelas, Diosdado Cabello, sagte vor Anhängern, dass die Behörden auf weitere Angriffe auf das Elektrizitätsnetz vorbereitet seien. In den letzten Tagen war es zu erneuten weitflächigen Stromausfällen gekommen, für die die Regierung Sabotage als Ursache angibt. Cabello erklärte, dass kolumbianische Paramilitärs in den an Kolumbien angrenzenden Bundesstaat Táchira eingesickert seien und bekräftigte in Hinblick auf Fahndungsmaßnahmen, dass diese nach Venezuela einreisen konnten, aber aus dem Land nicht wieder heraus kommen würden.

Unterdessen hat die US-Regierung ihren Ton gegen Russland und die venezolanische Regierung erneut verschärft. Der Sonderbeauftragte von Präsident Donald Trump, Elliott Abrams, erklärte, Russland werde für seine Unterstützung Maduros "einen hohen Preis bezahlen". Gegenüber Medienvertretern warnte er zudem davor, die Drohungen der USA nicht ernst zu nehmen: "Mein Rat an die Venezolaner, die es für einen Witz oder Symbolik halten, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen, ist, dass sie den Präsidenten besser nicht auf die Probe stellen."

In einer offiziellen Stellungnahme erklärte der Sicherheitsberater von Trump, John Bolton, die USA "warnen Akteure außerhalb der westlichen Hemisphäre nachdrücklich davor, militärische Güter nach Venezuela oder einen anderen Ort der Region zu entsenden... Wir werden solche provokativen Aktionen als direkte Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit in der Region betrachten".

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, wies die Forderungen und Vorwürfe umgehend zurück: Es bestehe ein Abkommen zur militärtechnischen Zusammenarbeit zwischen Russland und Venezuela, in dem auch die Präsenz von Militärs geregelt sei. Dies geschehe in Übereinstimmung mit der venezolanischen Verfassung und dem Völkerrecht. Russland bedrohe im Gegensatz zu Washington niemanden in der Region und die Soldaten würden so lange in Venezuela bleiben, wie die dortige Regierung dies wünsche, so Sacharowa. Der Vorsitzende des Außenausschusses des russischen Oberhauses, Konstantin Kossatschjow, bezeichnete Trumps Aussagen als "frech" und als Versuch sich in die bilateralen Beziehungen zweier souveräner Staaten einzumischen. Auch Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow äußerte sich: Die USA seien in vielen Ecken der Welt präsent und niemand weise sie an, wo sie sein dürften oder nicht.

Die chinesische Regierung reagierte auf die Äußerung Boltons, die USA würden "nicht tolerieren, dass feindliche ausländische Militärmächte sich in die gemeinsamen Ziele der westlichen Hemisphäre - Demokratie, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit – einmischen“. Chinas Außenamtssprecher Geng Shuang erklärte bei einer Pressekonferenz: "Lateinamerika gehört keinem Land, noch ist es der Hinterhof eines Staates". Die Länder der Region seien souverän und frei zu entscheiden, mit wem sie zusammenarbeiten.

Am vergangenen Freitag ist indes eine Lieferung medizinischer Hilsgüter aus China in Venezuela eingetroffen. "Wir haben die erste Charge von 75 Tonnen medizinischer Ausrüstung für das gesamte ambulante Netz, Medikamente für Diabetiker, Analgetika und chirurgisches Material erhalten", erklärte der Vizepräsident für Wirtschaft, Tarek El Aissami, auf dem internationalen Flughafen von Maiquetía nahe Caracas.

Ebenfalls am Freitag gab der Präsident der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Halbmondgesellschaften (IFRC), Francesco Rocca, bekannt, dass seine Organisation nach Treffen mit staatlichen Institutionen, sozialen, humanitären sowie politischen Organisationen über die rechtlichen und technischen Bedingungen verfüge, um im Land zu arbeiten. Mindestens 650.000 Menschen könne geholfen werden. Aktivitäten im Bereich Gesundheitsversorgung würden in einer Weise ausgeweitet, "die unabhängig, neutral, unparteiisch und ungehindert ist und die verletzlichsten Menschen erreicht", so Rocca gegenüber der Presse.