Brasilien / Politik

Temer in Brasilien kurzzeitig in Haft, Bundesgericht entscheidet über Lulas Strafe

Korruptionsverdacht gegen Ex-Regierungschef. Weitere Anklagen und Verfahren folgen. Urteile und Haft gegen Lula werden geprüft

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Der ehemalige De-facto-Präsident Temer ist mit verschiedenen Korruptionsermittlungen konfrontiert
Der ehemalige De-facto-Präsident Temer ist mit verschiedenen Korruptionsermittlungen konfrontiert

Brasília. Der Bundesgerichtshof in Brasilien hat eine weitere Klage gegen den ehemaligen De-facto-Präsidenten Michel Temer wegen passiver Korruption angenommen. Er soll einen Koffer mit 500.000 US-Dollar und weitere illegale Zahlungen vom brasilianischen Fleischkonzern JBS erhalten haben. Die Anklage dafür wurde bereits im Juli letzten Jahres das erste Mal eingereicht. Die nun erfolgte Annahme soll aber in keinem direkten Zusammenhang mit dem Haftbefehl stehen, der vergangene Woche erlassen wurde und Temer zunächst ins Gefängnis brachte. Er wurde nach vier Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt.

Richter Marcelo Bretas hatte am 21. März die Verhaftung von Temer, Ex-Minister Moreira Franco und neun weiteren Personen angeordnet, die mutmaßlich in einen Korruptionsfall verwickelt sind. Bretas ist für die Ermittlungen im weitreichenden Korruptionsfall Lava Jato in Rio de Janeiro verantwortlich. Dabei geht es um milliardenschwere Schmiergeldzahlungen, im Zentrum steht der staatliche Erdölkonzern Petrobras.

Temer und Franco wurden bereits am 25. März auf Anordnung von Richter Antonio Ivan Athié wieder freigelassen. Athié hielt es für unwahrscheinlich, dass die Häftlinge belastende Beweise beseitigen und die Ermittlungen behindern könnten. Jedoch wurden Vermögenswerte Temers im Wert von 62,6 Millionen Reais (rund 14 Millionen Euro) eingefroren.

Laut Anklage soll er in eine Spendenzahlung von José Antunes Sobrinho verwickelt sein, dem Eigentümer des Bauunternehmens Engevix. Sobrinho teilte der Polizei mit, dass er mit Kenntnis Temers eine Million Reais (knapp 228.000 Euro) Bestechungsgeld gezahlt habe. Engevix schloss in diesem Zusammenhang einen Vertrag über das noch unvollendete Kernkraftwerk Angra 3 ab.

Zugleich wird gegen Temer in acht weiteren Fällen ermittelt. Sie konnten teilweise erst seit dem 1. Januar 2019 bearbeitet werden, da er zuvor als Staatspräsident Immunität genoss.

Der ehemalige De-facto-Präsident sprach von "einer Barbarei" gegen seine Person. Auch Temers Verteidigung bestritt jegliche Korruptionsbeteiligung und bezeichnete die Verhaftung als "illegal". Es gebe keine Beweise. Sein Anwalt Eduardo Carnelós erklärte, die Verhaftung stelle "einen weiteren und einen der schwersten Angriffe auf den demokratischen Staat und das demokratische Gesetz in Brasilien dar".

Während seiner Amtszeit, die er nach einem parlamentarischen Putsch gegen seine Vorgängerin Dilma Rousseff angetreten hatte, war Temer wiederholt mit Korruptionsvorwürfen und Ermittlungen der Justiz konfrontiert. Im Oktober 2017 hatte nur eine knappe Mehrheit im Parlament verhindert, dass gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden konnten.

Temer, der Brasilien von 2016 bis 2018 regierte und der unbeliebteste Staatschef in der Geschichte des Landes war, ist damit der zweite Präsident, der im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal "Lava Jato" festgenommen wurde. Ex-Präsident (2003-2011) Luiz Inácio "Lula" da Silva war 2017 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Laut Urteil habe er im Gegenzug für Gefälligkeiten ein Luxusappartement erhalten. Das gesamte Verfahren gegen Lula wurde international jedoch heftig kritisiert. Beanstandet wurde von Beobachtern im In- und Ausland ein Mangel an Beweisen. Beobachter äußerten auch die Vermutung , dass politisch motivierte Richter eine Wiederwahl des linksgerichteten Politikers verhindern wollten. In Umfragen vor den Präsidentschaftswahlen war er trotz Verhaftung der beliebteste Kandidat. Durch die Verurteilung konnte er nicht kandidieren und der ultrarechte Jair Bolsonaro gewann die Wahl.

Trotz der Tatsache, dass sich Temer und Lula Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sehen und jeweils dafür ins Gefängnis kamen, gibt es einige Unterschiede der beiden Fälle.

Temer wurde zunächst aufgrund der Befürchtung, er könnte Beweise vernichten, in Untersuchungshaft genommen. Da die Grundlage dafür fehlte, wurde er schon vier Tage später entlassen. Eine Freilassung Lulas hingegen gestaltet sich schwieriger. Die Justiz könnte jedoch unmittelbar entscheiden, dass er die Haftstrafe im Hausarrest verbüßt. Dies strebt der Ex-Präsident für April an. Seine Verteidigung reichte ein entsprechendes Gesuch bei Gericht ein. Darüber hinaus überprüft der Bundesgerichtshof am 10. April die Verfassungsmäßigkeit des Strafmaßes aus zweiter Instanz. Für den Fall, dass die Richter einen Teil der Beweise oder Aussagen als nichtig bewerten, könnte Lula nach Verbüßung eines Sechstels seiner Haftstrafe in den offenen Vollzug wechseln.