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Internationales Theaterfestival in Brasilien eröffnet: "Raus aus der Komfortzone"

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Bei einer Veranstaltung im Rahmen des Festivals diskutieren Vertreterinnen von "Ni Una a Menos" aus Argentinien, der Opferorganisation MOVICE aus Kolumbien und der Vereinigung der Mütter und Väter der verschwundenen Studierenden aus Ayotzinapa in Mexiko.
Bei einer Veranstaltung im Rahmen des Festivals diskutieren Vertreterinnen von "Ni Una a Menos" aus Argentinien, der Opferorganisation MOVICE aus Kolumbien und der Vereinigung der Mütter und Väter der verschwundenen Studierenden aus Ayotzinapa in Mexiko.

São Paulo. In der brasilianischen Metropole São Paulo ist am Donnerstag das Internationale Theaterfestival MITsp eröffnet worden. Im Zentrum stehen Themen wie Körper, Sexualität, Gewalt und Gender. Vom 14. bis zum 24. März werden 22 nationale und internationale Stücke an über 16 Theatern und Kulturzentren der Stadt aufgeführt. Zusätzlich finden Seminare und Gesprächsrunden statt.

"Die Kunst hat die wichtige Rolle, zu provozieren, die Leute aus der Komfortzone zu holen und einen Dialog herzustellen", sagte der Produktionsleiter des Festivals, Guilherme Marques, gegenüber Amerika21. Eröffnet wird das Festival von Milo Rau, dem Schweizer Theaterautoren und Intendanten des Nationaltheaters in Gent, Belgien.

Nach dem Karneval Anfang März ist die MITsp die erste große Kulturveranstaltung seit dem Amtsantritt von Präsident Jair Bolsonaro. Anfang Januar hatte der ultrarechte Politiker das Kulturministerium gestrichen und auf eine Abteilung im neugeschaffenen Ministerium für Bürgerschaft reduziert.

Im Februar hatte Bolsonaro angekündigt, die Kulturförderung des staatlichen Ölkonzerns Petrobras überprüfen zu lassen. Zu Festivalbeginn sammelten nun Senatoren und Abgeordnete Unterschriften, um eine parlamentarische Mehrheit für eine Änderung der staatlichen Vorschriften zu erreichen. Das Lei Rouanet ermöglicht es Firmen, Gelder für die Kulturförderung von der Steuer abzusetzen. Bolsonaro argumentierte, es werde "benutzt um einen Teil der berühmten Künstler für ein Machtspiel zu gewinnen". Er forderte, vor allem unbekannte Künstler und solche aus bisher benachteiligten Regionen zu fördern. Viele namhafte Firmen arbeiten vor allem mit bekannten Festivals und Künstlern zusammen. Das Problem der privaten Kunstförderung sieht auch der Produktionsleiter des Festivals. "Das Marketing der Firmen entscheidet, wohin die Gelder fließen," sagte Marques im Gespräch mit Amerika21 und fügt3 hinzu: "In São Paulo gibt es große Medien und damit mehr Sichtbarkeit".

Der Hauptsponsor des MITsp ist die brasilianische Bank Itaú. "Die Investitionen von Firmen seit der Übergangsregierung unter Temer haben generell abgenommen. Ich denke, die großen Industrien und Banken haben ein Interesse an dem Gesetz", sagt Marques. Er sieht die Gefahr, dass ohne die Möglichkeit, Spenden in den Kunstbereich steuerlich geltend zu machen, die ganze Kulturszene stillstehen würde.

Viele Künstler fürchten, dass die neue Kommission von Bolsonaro, die Projekte in Zukunft überprüfen wird, ihre Förderungen nach anderen und politischen Motiven vergeben könnte. Der Präsident hatte vor dem Festival per Twitter indirekt den Sängern Caetano Veloso und Daniela Mercury gedroht. "Diese Art von Künstlern werden sich nicht mehr mit dem Gesetz Rouanet bereichern". Mercury und Veloso hatten vor einem Monat ein Lied mit dem Titel "Verbotener Karneval" herausgebracht, in dem sie die Zensur der Kultur in Brasilien kritisieren. Bereits in der Vergangenheit wurde mehrfach über mögliche Gesetzesänderungen diskutiert. Marques glaubt fest daran, dass das Gesetz weiterbestehen wird: "Mit der Wahl Bolsonaros haben sich viele Künstler politisch progressiv und damit gegen Bolsonaros konservativen Kurs positioniert.".

Mit dem Performancekünstler Wagner Schwartz und der Schauspielerin und Trans-Aktivistin Renata Carvalho sind auf dem Festival auch Künstler vertreten, die in Brasilien zuletzt verstärkt angefeindet wurden. Wagner Schwartz, der inzwischen in Paris lebt, wurde nach seiner Performance "La Bête" als "pädophil" bezeichnet und hat Morddrohungen erhalten, als kurze Ausschnitte der Performance in sozialen Netzwerken landeten. Schwartz liegt dabei nackt auf dem Boden und lädt das Publikum ein, seinen Körper in verschiedene Positionen zu rücken. Auf den Videos war auch eine Mutter mit ihrer Tochter zu sehen, die Schwartz an Bein und Hand berühren.