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Venezuela: Konzerte verlaufen friedlich, Sorge vor Eskalation am heutigem Tag

Opposition will heute "Hilfslieferungen" über die Grenze bringen. Berichte über Verlegung von US-Spezialeinheiten an Venezuelas Grenze

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Der venezolanische Oppositionspolitiker und selbsternannte Interimspräsident Guaidó mit Kolumbiens Präsident Duque beim Konzert in Cucutá
Der venezolanische Oppositionspolitiker und selbsternannte Interimspräsident Guaidó mit Kolumbiens Präsident Duque beim Konzert in Cucutá

Cucutá. Am gestrigen Freitag haben inmitten erheblicher Spannungen im Grenzgebiet zwischen Venezuela und Kolumbien die angekündigten Konzerte stattgefunden. Auf der kolumbianischen Seite war trotz Ausreiseverbot wegen eines laufenden Ermittlungsverfahrens der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó erschienen und hatte dort vor Pressevertretern erklärt, er sei mit Hilfe des venezolanischen Militärs über die Grenze gekommen. Von Seiten seiner Anhänger wird für heute erwartet, dass Teile der an die Grenze gelieferten Hilfsgüter "persönlich" ins Land gebracht werden sollen. Guaidó hat indes zu landesweiten Aktionen aufgerufen. Man solle "friedlich und in weiß gekleidet" auf die Straßen gehen, vor Kasernen ziehen und seinen Anweisungen Folge leisten.

Derweil hat Venezuelas Regierung die Grenze zu Kolumbien "aufgrund der schweren und illegalen Drohungen der kolumbianischen Regierung gegen den Frieden und die Souveränität Venezuelas" auch für den Fußverkehr vorübergehend geschlossen, wie Vize-Präsidentin Delcy Rodíguez erklärte.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, María Zajárova, hatte am Freitag mit Sorge geäußert, man habe die Verlagerung von Spezialeinheiten und Kriegsgerät der US-Streitkräfte an die venezolanische Grenze beobachtet. Eine "gefährliche provokative Lage" in Verbindung mit den für heute angekündigten Grenzüberschreitungen sei entstanden.

Auch in der brasilianischen Provinzhauptstadt Boa Vista sind inzwischen als "humanitäre Hilfe" für Venezuela deklarierte Lebensmittellieferungen eingetroffen. Das Department Roraima liegt an der Grenze zu Venezuela. Die dort gelandete Boeing C-767 gehört der Brasilianischen Luftwaffe. Die von Guaidó entsandte Botschafterin in Brasilien, María Teresa Belandria, gab über Twitter bekannt: "Die Spenden der Regierung von Bolsonaro sind angekommen. Danke nach Brasilien." Die Ladung wurde von US-Funktionären in Empfang genommen. Laut der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) seien in Roraima nun 138 Tonnen Hilfsgüter vorrätig, darunter 23 Tonnen Milchpulver, 500 Erste-Hilfe-Koffer, 51 Tonnen Reis und Zucker.

Auch die Grenze nach Brasilien ist seit Donnerstag vorübergehend gesperrt worden. Dies hatte Präsident Nicolás Maduro bei einem Treffen mit dem Generalstab der Streitkräfte bekannt gegeben. Unterdessen wurde von einem toten Indigenen berichtet, der bei einem Konflikt mit Uniformierten im Grenzgebiet umgekommen sein soll. Der Präsident der verfassunggebenden Versammlung, Diosdado Cabello bestätigte einen Vorfall, bei dem es Verletzte und einen Toten gegeben hat. Es habe sich jedoch um einen Zusammenstoß zwischen einer bewaffneten Bande des Oppositionspolitikers Americo De Grazia von der Partei Volkswille (Voluntad Popular) und Angehörigen der indigenen Gemeinschaft der Pemón gehandelt. De Grazia habe die Zusammenstöße selbst inszeniert, so Cabello.

Präsident Maduro gab am Freitag bekannt, dass bereits am 21. Februar 7,5 Tonnen Medikamente und chirurgisches Material aus Russland angekommen seien. "Glücklicherweise haben wir gute Freunde in der Welt, und bekommen Hilfe von den Vereinten Nationen, der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation und der Weltgesundheitsorganisation." Auch habe seine Regierung der Europäischen Union eine Liste dringend benötigter Medikamente übergeben und um Hilfen in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar bei der Finanzierung und Lieferung ersucht. Den Vereinten Nationen habe man ebenfalls eine Medikamentenliste vorgelegt. Durch die Wirtschaftsblockade sind die Möglichkeiten Venezuelas zum Kauf und Import von medizinischen Hilfsmitteln und Medikamenten extrem eingeschränkt. Diese Blockade umfasst Finanzsanktionen seitens der USA, das Einfrieren von Bankkonten in der EU, Schweiz, Kanada und Panama sowie Handelsembargos, Maßnahmen gegen grenzüberschreitende Zahlungen im internationalen Handel und die Sanktionierung ausländischer Unternehmen, die mit Venezuela Handel treiben. Maduro hatte bereits im vergangenen Jahr die UNO um Hilfe gebeten, um die Handelsblockade der USA gegen sein Land zu durchbrechen.

Währenddessen war die Öffentlichkeit auf Bilder von der Grenze zu Kolumbien fokussiert: In der dortigen Stadt Cucutá hatte ein vom britischen Milliardär Richard Branson organisiertes Konzert mit mehreren tausend Besuchern stattgefunden, das zur Grenzöffnung beitragen sollte. Der US-Sonderbeauftragte für Venezuela, Elliott Abrams, reiste aus Florida an, um die Einführung der "humanitären Hilfe" zu begleiten. Ebenfalls nach Cucutá waren der kolumbianische Präsident Iván Duque und seine Amtskollegen aus Paraguay (Mario Abdo) und Chile (Sebastián Piñera) gereist. Abdo äußerte: "Der Widerstand gegen die Tyrannei hat den Mut des venezolanischen Volkes bewiesen. Heute sind wir nah an dem Ende, das wir alle erwarten." Duque erklärte, es seien historische Tage, denn ganz Lateinamerika vereine sich für die Freiheit Venezuelas. Piñera soll auch neun Tonnen Hilfsgüter aus Chile mitgebracht haben, um sie heute mit den Lieferungen von USAID über die Grenze nach Venezuela bringen zu lassen.

Auf dem weltweit übertragenen "Live Aid"-Konzert  sagte der venezolanische Sänger José Luis "Puma" Rodríguez: "Es ist so einfach, wir bitten um die Befreiung nach 20 Jahren marxistischer Diktatur. Schluss mit den linken Diktaturen in Lateinamerika." Branson will innerhalb von 60 Tagen 100 Millionen US-Dollar Spenden einnehmen. Die eigens eingerichtete Homepage fordert dazu auf, von überall auf der Welt zu spenden.

Auf der venezolanischen Seite der Grenze waren zeitgleich tausende Menschen zu einem Konzert "gegen Interventionismus und Krieg" gekommen. Ihre Botschaft: "Hände weg von Venezuela". Das Anti-Kriegs-Konzert wird heute fortgesetzt.