Colonia Dignidad: Deutsche Justiz bleibt untätig

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Bayerische Idylle im ehemaligen Folter- und Todeslager: Die Colonia Dignidad heißt heute Villa Baviera
Bayerische Idylle im ehemaligen Folter- und Todeslager: Die Colonia Dignidad heißt heute Villa Baviera

Berlin. Die Staatsanwaltschaft Münster hat das Ermittlungsverfahren gegen Reinhard Döring wegen mutmaßlicher Beihilfe zu Ermordungen in der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile eingestellt, berichtet das in Berlin ansässige European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Entscheidung heftig kritisierte. "Die Staatsanwaltschaft Münster hat die Ermittlungen zu früh eingestellt", so Andreas Schüller vom ECCHR, der das Programm "Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung" leitet. "Das ECCHR hat die Strafanzeige gegen Döring im April 2018 eingereicht und im Dezember noch eine lange Liste von Zeugen vorgelegt. Die Zeugen hätten wichtige Auskünfte zur Rolle Dörings in der Colonia Dignidad geben können." Die Zusammenarbeit der Colonia Dignidad mit dem Geheimdienst von Chiles Diktator Augusto Pinochet, die Folter und das Verschwinden von politischen Gegnern, drohe nun endgültig im Verborgenen zu bleiben.

Reinhard Döring war unter den ersten Deutschen, die Sektenfü̈hrer Paul Schäfer nach Chile folgten, um dort gemeinsam mit ihm die Sektensiedlung aufzubauen. Döring gehörte zum engen Führungskreis der Colonia und war daher gut vertraut mit den Vorgängen auf dem Siedlungsgelände. Er war einer der wenigen Colonia-Bewohner, die im direkten Kontakt zur chilenischen Geheimpolizei DINA standen, die zwischen 1973 bis 1977 als wichtigster Geheimdienst des Pinochet-Regimes diente und unter anderem auf dem Sektengelände aktiv war.

Das ECCHR kämpft seit 2011 dafür, dass die deutsche Justiz dazu beiträgt, die Verbrechen in der Colonia Dignidad aufzuarbeiten. "Die Verantwortlichen für Folter, Verschwindenlassen, Kindesmissbrauch und andere Verbrechen müssen zur Verantwortung gezogen werden – auch jene, die sich einer Strafe in Chile durch die Flucht nach Deutschland entzogen haben", sagte Schüller. "Die deutsche Justiz muss sich fragen, wie die Täter der Colonia Dignidad über Jahrzehnte unbehelligt hier leben konnten." In Chile sind einige Täter verurteilt worden – ohne Unterstützung aus Deutschland.

Angesichts der Entscheidung aus Münster mahnt das ECCHR Rechtsreformen an: "Es ist höchste Zeit, Folter und das erzwungene Verschwindenlassen als eigene Straftatbestände mit langen Verjährungsfristen in das Strafgesetzbuch aufzunehmen."