Kritik an Boliviens Regierung nach Abschiebung von Cesare Battisti nach Italien

Regierung von Evo Morales lehnt Asylgesuch Battistis ohne reguläres Verfahren ab und weist ihn aus. Italienische Polizei an Festnahme in Bolivien beteiligt

bolivien_festnahme_battisti_13-1-2019.jpg

Dieses Foto von der Festnahme Cesare Battistis in Santa Cruz veröffentlicht die italienische Staatspolizei am 13. Januar auf ihrem Twitter-Account
Dieses Foto von der Festnahme Cesare Battistis in Santa Cruz veröffentlicht die italienische Staatspolizei am 13. Januar auf ihrem Twitter-Account

La Paz. In Bolivien mehren sich die kritischen Stimmen am Vorgehen der Regierung von Präsident Evo Morales gegen das frühere Mitglied linksmilitanter Gruppen in Italien, Cesare Battisti. Der Ombudsmann des südamerikanischen Landes, David Tezanos, warf den zuständigen Behörden vor, Battistis Asylantrag nicht ordnungsgemäß bearbeitet zu haben. Damit hätten sie gegen das Gesetz zum Schutz von Flüchtlingen und die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen. Aus dem linken Lager in Bolivien, das der Regierung Morales nahesteht, und intenational kam ebenfalls Kritik. Die Regierung Italiens feierte unterdessen die Ankunft Battistis in Rom als einen "historischen Tag".

Der 64-jährige Cesare Battisti war am vergangenen Sonntag in der bolivianischen Stadt Santa Cruz in einer koordinierten Aktion italienischer Sicherheitskräfte, von der internationalen Polizeibehörde Interpol und der Polizei von Bolivien festgenommen worden. Battisti, der sich seit 2004 in Brasilien aufgehalten hatte, war nach dem Erlass eines Haftbefehls im Dezember des vergangenen Jahres nach Bolivien geflüchtet und hatte dort am 18. Dezember Asyl beantragt.

Battisti war in Italien Mitglied der von 1976 bis 1979 aktiven Organisation "Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus" (Proletari Armati per il Comunismo, PAC), einer von vielen damals in Westeuropa existierenden bewaffneten linken Gruppen. Er wurde 1979 verhaftet und konnte 1981 aus dem Gefängnis entkommen. Er hielt sich zunächst in Frankreich und dann in Mexiko auf, ab 1990 lebte er offiziell in Frankreich. Die Regierung des damaligen Präsidenten François Mitterand lehnte seine Auslieferung ebenso ab wie die vieler anderer ehemaliger Linksaktivisten aus Italien, die ihren Rückzug vom bewaffneten Kampf erklärt hatten. In den folgenden Jahren arbeitete Battisti als Übersetzer und wurde als Autor von Kriminalromanen bekannt. 1991 wurde er in Italien aufgrund von Kronzeugenaussagen in Abwesenheit wegen Mordes zu lebenslänglich Haft verurteilt. Battisti hat eine Beteiligung an den Taten stets bestritten.

2004 gestattete der Nachfolger Mitterands, Jacques Chirac, seine Auslieferung. Eine breite Solidaritätsbewegung, an der sich unter anderem der kolumbianische Literaturnobelpreisträger Garbriel García Márquez beteiligte, versuchte erfolglos, dies zu verhindern. Battisti flüchtete nach Brasilien und erhielt politisches Asyl durch die damalige Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, wurde jedoch 2007 wegen Besitzes gefälschter Dokumente verhaftet. Zwei Jahre später genehmigte der Oberste Bundesgerichtshof seine Auslieferung, überließ die letzte Entscheidung aber dem Präsidenten. Lula lehnte ab und gewährte ihm unbefristeten Aufenthalt. Italien berief damals aus Protest seinen Botschafter aus Brasilien zu Beratungen zurück. Battisti lebte dann bis zur Rücknahme dieser Entscheidung durch De-facto-Präsident Michel Temer und dem Erlass des Haftbefehls mit seiner Frau und dem heute fünfjährigen Sohn unbehelligt in Brasilien.

Boliviens Staatsminister Carlos Romero erklärte, dass die Nationale Flüchtlingskommission den von Battisti eingereichten Asylantrag am 26. Dezember abgelehnt und die Regierung daraufhin beschlossen habe, ihn des Landes zu verweisen. Es sei eine rechtmäßige "obligatorische Ausreise" gewesen, da "seine Migrationssituation illegal war". Laut Medienberichten hatte die Regierung des ultrachrechten Päsidenten Jair Bolsonaro zunächst die Überstellung Battistis aufgrund des brasilianischen Haftbefehls verlangt. Bolsonaro hatte bereits im Wahlkampf mehrfach angekündigt, ihn verhaften zu lassen und an Italien auszuliefern. Boliviens Regierung hat es offenbar vorgezogen, direkt mit den italienischen Behörden zusammenzuarbeiten. Es gebe kein Auslieferungsabkommen zwischen Bolivien und Italien, daher sei der Vorgang als Ausweisung gehandhabt worden, schrieb die italienische Tageszeitung Corriere Della Sera.

Auf ihrem Twitter-Account teilte die italienische Polizei mit, ein Team aus Anti-Terrorpolizisten und Geheimagenten aus Italien sei Battisti "bis zu seiner Verhaftung durch die bolivianische Polizei gefolgt". Er wurde dann direkt mit einer italienischen Regierungsmaschine nach Rom gebracht, wo ihn die Minister für Justiz und Sicherheit mit einem Großaufgebot der Polizei erwarteten.

Die bolivanische Politologin und Fernsehmoderatorin Susana Bejarano erklärte daraufhin, sie wisse nicht, ob Battisti schuldig sei, "aber ich weiß, dass er Menschenrechte hat". Dazu gehöre, "dass das politische Asyl, das er in Brasilien hatte, hier berücksichtigt wird. Das Netzwerk der weltweiten Ultrachrechten hat heute ein Geschenk bekommen. Wo bleibt unsere Souveränität? Und die Solidarität? Und die Ideologie?" Ähnlich hatte sich die Jugendorganisation der regierenden Bewegung zum Sozialismus geäußert und den Rücktritt Romeros gefordert, da er sich"wie der operative Arm der Rechten verhält". Der Bruder von Boliviens Vizepräsident Álvaro García Linera bezeichnete das Handeln der Regierung als "feige und reaktionär". Er fühle sich beschämt und enttäuscht, so Raúl García: "Heute haben die Interessen des Staates Vorrang vor der revolutionären Moral und Praxis". Die faktische Auslieferung stehe "im Widerspruch zu einem ordentlichen Verfahren eines jeden würdevollen und souveränen Staates". Der frühere Berater des bolivianischen Außenministeriums, Katu Arkonada, bezeichnete den Vorgang als "schweren diplomatischen Fehler" der Regierung Morales und als Verletzung internationalen Rechts.

Am Montag haben fünf französische Aktivisten, unter ihnen der Abgeordnete des Europaparlaments José Bové, in einem offenen Brief eine Stellungnahme von Präsident Evo Morales gefordert. Er hat sich bislang nicht geäußert.