Argentinien: Mehr als 50.000 Teilnehmer bei Weltforum Kritischen Denkens

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Lebhafte Diskussionen und eine kämpferische Stimmung prägten das Weltforum in Argentinien
Lebhafte Diskussionen und eine kämpferische Stimmung prägten das Weltforum in Argentinien

Buenos Aires. Das erste Weltforum Kritischen Denkens, organisiert vom Lateinamerikanischen Rat der Sozialwissenschaften (Clacso) in Argentinien, ist am 23. November zu Ende gegangen. Die fünftägige Veranstaltung stand im Zeichen des Protests gegen den G20-Gipfel in der argentinischen Hauptstadt, der am Freitag und Samstag dieser Woche stattfinden wird. Mehr als 50.000 Teilnehmer aus über 50 Ländern diskutierten bei Podiumsgesprächen, Vorträgen und in Arbeitsgruppen über neue Widerstandskonzepte gegen die vielfältigen Formen der Unterdrückung und die aktuelle Weltlage.

Ein zentrales Thema der Veranstaltung war der Versuch einer Reformulierung einer zeitgenössischen politischen Linken. Argentiniens Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner erklärte in ihrem Eröffnungsvortrag, dass eine Einordnung in politisch links oder rechts überholt sei. Viel wichtiger sei die Unterscheidung zwischen "progressiven"“ und "konservativen" Positionen. Juan Carlos Monedero, Politik-Professor von der Universität Complutense in Madrid, betonte dagegen, eine klare Unterscheidung zwischen rechter und linker Politik sei in Anbetracht der gewaltvollen Überlebensfähigkeit des Kapitalismus heute notwendiger denn je. Zugleich verwies er auf das Fehlen einer praktisch durchsetzungsfähigen linken Politik. Die größte Herausforderung sei es, neue wirtschaftliche Perspektiven zu entwickeln, die eine "standhafte Alternative zur kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung bilden können".

Alvaro García Linera, Boliviens Vizepräsident, warnte vor einer weltweiten "neuen konservativen Welle". Dabei würden bereits gescheiterte neoliberale Ansätze aufs Neue etabliert: "Es gibt keinen Ideenreichtum, keine Kreativität, keine Hoffnung. Was wir jetzt haben, ist eine Art Zombie-Neoliberalismus, der überlebt".

Aktuelle politische Veränderungen in lateinamerikanischen Ländern sorgten für viel Diskussionsstoff. Der bei den Wahlen in Kolumbien unlängst unterlegene linke Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro führte aus, dass die fehlende Verknüpfung von wissenschaftlicher Erkenntnis und politischen Praxis und vice versa zu einer Stärkung von rechtsextremen Lagern führe und "gewaltsame Regierungen" befördere. Er definierte linke Politik als eine, die Grundlagen schaffe, um menschliches und natürliches Leben zu ermöglichen.

Rita Laura Segato, argentinische Wissenschaftlerin und feministische Aktivistin, analysierte ein "Komplott" gegen progressives Gedankengut in Lateinamerika, das sich über "organisierte Gewalt" sowie "parastaatliche Sphären" formiere, die das Leben kontrollierten und von fundamentalistischen kirchlichen Einrichtungen unterstützt werden. Dies stelle die größte Gefahr für die Demokratien der Länder der Region dar.

Der derzeit inhaftierte Ex-Präsident Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, ließ der Veranstaltung einen offenen Brief zukommen. Darin begrüßte er die Durchführung des Weltforums und betonte die Dringlichkeit des Aufbaus einer neuen, gerechten und menschlichen Welt.