Brasilien: Parteigänger von Bolsonaro verbreiten "Feindesliste"

Namen von hunderten prominenten Künstlern und Autoren verbreitet. Genannte sollen boykottiert werden. Berufung von Lula-Richter Moro sorgt für Debatten

brasilien_feindesliste_bolsonaro.jpg

Screenshot der "Feindesliste" aus der brasilianischen Tageszeitung Folha de S. Paulo
Screenshot der "Feindesliste" aus der brasilianischen Tageszeitung Folha de S. Paulo

Brasília. Anhänger des designierten Präsidenten von Brasilien, Jair Bolsonaro, haben eine Liste mit Namen von über 700 Schauspielern, Journalisten, Autoren, Theologen und Künstlern veröffentlicht, die sie zu "Feinden" erklären, da sie sich gegen den ultrarechten Politiker gestellt hatten. Das berichtet der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur unter Berufung auf die brasilianische Tageszeitung Folha de S. Paulo. Die Persönlichkeiten hatten im Vorfeld der Wahlen das Manifest "Demokratie Ja" unterzeichnet, in dem sie vor den Gefahren eines Wahlsieges der Rechten gewarnt und aufgerufen hatten, gesellschaftliche Kräfte zur Verteidigung der Demokratie und der Toleranz zusammenzubringen. Unter ihnen sind die Schauspielerinnen Camila Pitanga und Patrícia Pillar, der Journalist und Schriftsteller Fernando Morais, die Musiker Caetano Veloso, Chico Buarque und Gilberto Gil sowie die Befreiungstheologen Frei Betto und Leonardo Boff.

In der vor allem über den Messangerdienst Whatsapp, aber auch über soziale Netzwerke verbreiteten Botschaft wird zudem aufgerufen, die aufgeführten "kommunistischen Feinde" zu boykottieren und die Liste mit weiteren Namen zu ergänzen: "Künstler, die sich gegen den Willen des Volkes stellen, aber öffentliche Gelder einstreichen! Wenn jemand fehlt, füge den Namen hinzu und mach‘ weiter. Der Befehl lautet, diese Gauner zu boykottieren", heißt es in der Botschaft: "Prangert ihr Material in den Netzwerken als hasserfüllten und missbräuchlichen Inhalt an, kauft ihre Bücher, Platten nicht, besucht ihre Werke nicht, schaut euch ihre Programme nicht an, lest ihre Kolumnen nicht. Kauft nichts, was mit ihnen zu tun hat", werden die Bolsonaro-Anhänger aufgefordert.

Der designierte Präsident selbst hatte unmittelbar vor der Wahl angekündigt, das Land von politischen Gegnern zu "säubern". Im ersten Interview nach seinem Wahlsieg erklärte er, Aktionen der Landlosenbewegung MST und der Bewegung der Wohnungslosen werde er als Terrorismus verfolgen lassen.

Indes wurde bekannt, dass sich Bolsonaro am Dienstag mit dem noch amtierenden De-facto-Präsidenten Michel Temer treffen wird, um die Amtsübergabe zu besprechen. "Er wird am Dienstag nach Brasília reisen und dort am Mittwochnachmittag mit Temer zusammenkommen", sagte der künftige Kabinettschef Onyx Lorenzoni nach einer Unterredung mit Bolsonaro in dessen Privathaus in Rio de Janeiro gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP. Es wäre die erste Inlandsreise des designierten Präsidenten seit der Stichwahl am vergangenen Sonntag, aus der er mit 55 Prozent der Stimmen als Sieger hervorging und sich gegen Fernando Haddad von der linksgerichteten Arbeiterpartei (PT) durchsetzte.

Für Debatten sorgt derweil die Berufung des Richters Sergio Moro zum Justizminister. Moro hatte den ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva in einem in Brasilien und international massiv umstrittenen Korruptionsprozess zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Berufung des Juristen in das Kabinett Bolsonaro belege, dass er selbst korrupt sei und von vornherein aus einem politischen Interesse gehandelt habe, hieß es von der Verteidigung Lula da Silvas, die das Urteil erneut anfechten will.