Chile: Umweltaktivist tot aufgefunden

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Menschen in schwarzer Kleidung bei Beerdigung von Alejandro Castro
Beerdigung von Alejandro Castro

Valparaíso. Im chilenischen Valparaíso ist am 3. Oktober der Umweltaktivist und Fischer Alejandro Castro tot aufgefunden worden. Der Präsident einer Fischergewerkschaft aus Quintero war an einer Demonstration gegen die Umweltkatastrophe in Quintero-Puchuncaví beteiligt gewesen. Dort herrscht seit mehr als einem Monat wegen giftiger Stoffe in der Luft der Ausnahmezustand (Amerika21 berichtete).

Die Bevölkerung protestiert seit Wochen gegen die unhaltbare Situation und verlangt von der Regierung den Produktionsstopp mehrerer Industrieanlagen. Diese hat bisher kaum konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation unternommen und beschwichtigt die Menschen mit Plänen und Gesetzesinitiativen, die frühestens im kommendem Jahr in Kraft treten werden. Derweil berichten soziale Organisationen vor Ort von Verfolgung und Schikanen der Polizei gegen führende Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung.

Als am 3. Oktober nach einer Demonstration in der Regionalhauptstadt Valparaíso der Leichnam von Alejandro Castro auf einem abgelegenen Grundstück in der Hafenstadt gefunden wurde, teilten die Behörden mit, er habe sich vermutlich erhängt. Angehörige Castros erklärten hingegen, er sei ermordet worden. Grund für die Annahme ist, dass er zuvor mehrmals Morddrohungen erhalten hatte. Die Regierung bat, die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten und berief einige Tage darauf eine Sonderstaatsanwältin für den Fall.

Castro war eine tragende Kraft im Kampf gegen die Umweltverschmutzungen der Industrie in den Gemeinden Puchuncaví-Quintero. Ricardo Quero, selbst Opfer von Polizeigewalt und Fotograf vor Ort, sagte gegenüber Amerika21: "Die Menschen sind mittlerweile müde und es fällt schwer, den Widerstand aufrecht zu erhalten". Die Regierung habe "einen Teil der Bevölkerung mit Entschädigungszahlungen gekauft und schüchtert den anderen Teil mit offener Polizeipräsenz vor den Häusern und Ausweiskontrollen ein".

Das Leben von Umweltaktivisten in Chile und Lateinamerika ist besonders gefährdet. Bei Konflikten großer Unternehmen mit der lokalen Bevölkerung kommt es regelmäßig zu unaufgeklärten Todesfällen und offenen Morden. Vor zwei Jahren etwa wurde Macarena Valdés im Süden Chiles in ihrem Haus tot aufgefunden, auch hier sprach die Polizei von Suizid. Valdés kämpfte gegen das österreichisch-chilenische Unternehmen RP Global Chile Energías Renovables S.A, das für den Bau eines Wasserkraftwerks einen indigenen Friedhof zerstörte. José Román, Historiker und Soziologie der zu Umweltkonflikten forscht, meint: "Bei vielen Konflikten kommt es zu merkwürdigen Todesfällen gerade dann, wenn die Bewegung an einem kritischen Punkt angelangt ist."

Währenddessen schieben sich die Firmen in Quintero-Puchuncaví die Schuld an den Vergiftungen gegenseitig zu, die Ermittlungen gegen die Unternehmen nehmen ihren Lauf während die Bevölkerung weiter an den Folgen leidet und begonnen hat, ihre Ortschaft "Quinternobyl" zu nennen ‒ in Anlehnung an die Atomkatastrophe in Tschernobyl und die bleibenden Schäden für die dort lebenden Menschen.