Polizei löst Gedenken zum 45. Jahrestag des Putsches in Chile auf

Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und der Polizei in Santiago. Zahlreiche Täter der Diktatur mussten sich nie verantworten

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Rund 2.500 Personen zogen durch die Hauptstadt Santiago de Chile
Rund 2.500 Personen zogen durch die Hauptstadt Santiago de Chile

Santiago de Chile. In Chile ist es im Vorfeld des 45. Jahrestages des Militärputsches vom 11. September 1973 zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Zwei Tage vor dem Jahrestag hatte in der Hauptstadt Santiago de Chile die traditionelle Kundgebung stattgefunden. Nach Auseinandersetzungen mit den Protestteilnehmern löste die Polizei den Demonstrationszug jedoch gewaltsam auf, 28 Teilnehmer wurden festgenommen.

Angeführt von Vertretern zahlreicher Organisationen aus der Zivilgesellschaft war der Demonstrationszug in der Nähe des Präsidentenpalastes gestartet und anschließend durch die Straßen der Hauptstadt zum zentralen Friedhof gezogen, wo sich das Denkmal für die Opfer des Regimes von General Augusto Pinochet (1973-1990) befindet. Die Teilnehmer prangerten die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und die heute noch privilegierte Stellung vieler an den damaligen Menschenrechtverletzungen beteiligten Militär- und Polizeiangehörigen an. In der Nähe des Friedhofs kam es zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und Polizisten, woraufhin die Polizei unter Einsatz von Tränengas die Demonstration und Kundgebung auflöste.

Bereits am Sonntagmorgen hatten sich mehrere Tausend Menschen im Zentrum von Santiago versammelt, um ein Zeichen für die Opfer der chilenischen Diktatur zu setzen. Sie forderten zugleich die Bestrafung der Verantwortlichen für teils schwerste Menschenrechtsverletzungen, die bis heute juristisch nicht zur Rechenschaft gezogen worden sind. Nach offiziellen Angaben nahmen 2.500 Menschen an der Demonstration teil, unter ihnen zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, Opfervereinigungen, Gewerkschaften und Parteien. Anwesend waren Aktivisten von Amnesty International, der Vereinigung der Familien von Verhafteten und Verschwundenen (AFDD), die Kommunistische Partei Chiles, Anhänger von zwei der wichtigsten Fußballclubs im Land – Universidad de Chile und Colo Colo – sowie Mitglieder der Frauenrechtsorganisation Pan y Rosas.

Die Kundgebungen verliefen zunächst friedlich, mehrere Sprecher kritisierten unter anderem die jüngste Freilassung einiger wegen Menschenrechtsverletzung angeklagter Militärs und Polizisten durch den Obersten Gerichtshof. Zudem fanden musikalische und künstlerische Aktionen statt, um die notwendige Stärkung der Frauenrechte, die lange geforderte Einführung eines Gesetzes für einen legalen Schwangerschaftsabbruch sowie die Opfer der Diktatur zu thematisieren. Als der Demonstrationszug sich dem Friedhof von Santiago näherte, wurde die Stimmung zunehmend aggressiver, es kam zu Zusammenstößen zwischen den Demonstranten. Daraufhin setzten die Polizisten Tränengas ein und lösten die Demonstration mit Gewalt auf. Es kam zu Tumulten, viele Teilnehmer mussten fliehen und sich auf dem Friedhof verstecken.

Am 11. September 1973 fand in Chile ein Militärputsch statt, bei dem der demokratisch gewählte Präsident Salvador Allende getötet wurde. Nach offiziellen Angaben wurden mehr als 3.000 Menschen ermordet, insgesamt wurden 40.000 Menschen zu Opfern der politischen Gewalt. Chile stand bis zum 11. März 1990 unter der Kontrolle der Militärjunta. Während der Diktatur wurden alle demokratische Institutionen wie etwa der Nationalkongress abgeschafft, politische Parteien und Andersdenkende systematisch verfolgt, Meinungsfreiheit unterdrückt und zahlreiche Menschenrechtsverbrechen seitens der Junta begangen. Die Aufarbeitung dieser Ereignisse ist in der chilenischen Öffentlichkeit mit heftigen Kontroversen verbunden, was auch daran liegt, dass zahlreiche an der Diktatur beteiligte Politiker und Militärs nie bestraft wurden.