Mexiko / Politik

Zehntausende protestieren gegen Gewalt an Unis in Mexiko

Nach gewalttätigen Übergriffen auf Schüler formiert sich an Mexikos Universitäten Widerstand gegen Unsicherheit und desolate Studienbedingungen

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Unam in Mexiko: Studierende protestieren hier gegen politische Gewalt auf dem Campus
Unam in Mexiko: Studierende protestieren hier gegen politische Gewalt auf dem Campus

Mexiko-Stadt. Zwei Tage nachdem auf dem Gelände der Nationalen Autonomen Universität Mexikos (Unam) protestierende Gymnasiasten von Schlägertrupps mit Knüppeln und Messern angegriffen worden sind, haben am vergangenen Mittwoch zehntausende Studierende in Mexiko-Stadt demonstriert. Sie forderten die Auflösung der sogenannten Porros, gewalttätige Gruppen, die von Parteien und Hochschulleitungen finanziert werden, um studentische Proteste leichter unterdrücken zu können. Meist bestehen diese Gruppierungen selbst aus Studenten, die ihre Kommilitonen überwachen und politische Aktivitäten den Behörden und der Universitätsverwaltung melden. Allein an der Unam soll es etwa 40 solcher Gruppen geben.

Am 3. September hatten Schüler des staatlichen Gymnasiums CCH Azcapotzalco auf dem Campus der Unam demonstriert, um auf den verheerenden Lehrermangel an ihrer Schule aufmerksam zu machen. Schon am 27. August waren sie in einen unbefristeten Streik getreten, um gegen die unhaltbaren Lehrbedingungen zu protestieren. Als ihre Demonstration vor dem Rektorat der Unam ankam, wurden sie von etwa 200 Porros überfallen, von denen die meisten Trikots der universitätseigenen Fußballmannschaft trugen. Bei dem Angriff wurden mehrere Schüler durch Schläge und Messerstiche zum Teil schwer verletzt. Wer hinter der Attacke steckt, ist weiterhin unklar.

Die Studierendenschaft nutzte die schnell angesetzte Großdemonstration vom Mittwoch auch, um ihrem Unmut über steigende Unsicherheit in den Hochschulen und die desolaten Studienbedingungen an den öffentlichen Universitäten des Landes Luft zu machen. Die Verschlechterung der Sicherheitslage seit Beginn des "Kriegs gegen die Drogen" im Jahr 2006 hat auch vor den Universitäten keinen Halt gemacht. Immer wieder war es in den vergangenen Jahren zu Überfällen, Entführungen oder Vergewaltigungen auf dem Gelände vieler Hochschulen gekommen. Ein feministischer Block auf der Großdemonstration nahm daher auch speziell genderspezifische Gewalt in seinen Fokus und forderte Maßnahmen zum Schutz von Studentinnen und Minderheiten an den Universitäten des Landes.

Die Gewalt an der größten Universität des Landes sorgte auch über Studentenkreise hinaus für Empörung. Mexikos künftiger Präsident Andrés Manuel López Obrador kündigte bereits an, keine Schlägertruppen an Universitäten dulden zu wollen. "Ich stehe auf der Seite der jungen Menschen, die sich gegen die illegalen und abscheulichen Aktionen zu Wehr setzen," sagte der 64-jährige Politiker, der am 1. Dezember die Amtsgeschäfte in dem nordamerikanischen Land übernehmen wird. "Aber dies ist eine Sache, die die Studenten und die Universitätsleitung regeln müssen, da wir als Staat die universitäre Autonomie zu respektieren haben." Als autonome Universität unterliegt die Unam einer eigenen Jurisdiktion und staatliche Sicherheitskräfte haben kein Zutrittsrecht auf das Gelände der Hochschule.

Viele Beobachter fühlen sich derweil die Studentenrevolte von 1968 erinnert. "Auch damals fing alles damit an, dass Schülerinnen und Schüler von Polizei und Porros angegriffen wurde," sagte Gymnasiallehrerin Irene García Pérez, die einst in der 68er-Bewegung politisiert wurde, gegenüber amerika21. Und tatsächlich sieht es so aus, als könnte der Widerstand an Mexikos Hochschulen mehr sein als nur ein punktuelles Aufbegehren. Denn wie 1968 haben sich bereits Dutzend andere Bildungsinstitutionen mit den angegriffenen Schülern solidarisiert und sich den Protesten und Streiks angeschlossen. Wie es weitergehen soll, wird diese Tage in unzähligen studentischen Versammlungen beschlossen. Nächste Woche jährt sich der Marcha del Silencio, mit 250.000 Teilnehmern eine der größten Demonstrationen der Bewegung von 1968, zum fünfzigsten Mal. Es scheint, als könnte es an Mexikos Hochschulen zu mehr als nur andächtigen Erinnerungsveranstaltungen kommen.