Anklage in Kolumbien gegen Chiquita wegen Zahlungen an Paramilitärs

13 leitende Angestellte müssen sich verantworten. Auch Ex-Präsident Uribe wieder im Fokus der Ermittlungen. Sonderjustiz für Frieden greift nicht

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Das multinationale Unternehmen Chiquita Brands hat Paramilitärs zum Schutz ihrer Geschäfte beim Banananexport bezahlt, nun wird gegen ehemalige Mitarbeiter Anklage erhoben
Das multinationale Unternehmen Chiquita Brands hat Paramilitärs zum Schutz ihrer Geschäfte beim Banananexport bezahlt, nun wird gegen ehemalige Mitarbeiter Anklage erhoben

Bogotá. Die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft hat nach jahrelangen Ermittlungen Anklage gegen 13 frühere leitende Angestellte und Mitarbeiter der Fruchthandelsgesellschaft Chiquita Brands International wegen Zahlungen an Paramilitärs erhoben. Nachdem das Unternehmen bereits im Jahr 2007 in den USA wegen Überweisungen an die paramilitärischen  Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC) verurteilt worden war, wurde nun auch erstmals gegen konkrete Personen eine Anklage in Kolumbien in die Wege geleitet. Zudem wird einmal mehr gegen Álvaro Uribe ermittelt, den ehemaligen Präsidenten und Gouverneur der Provinz Antioquia.

Für die Staatsanwaltschaft steht mittlerweile außer Frage, dass die Mitarbeiter, die sich nun vor Gericht zu verantworten haben, zumindest Kenntnis über die Zahlungen gehabt haben müssen. Die nun unter Anklage stehenden Führungskräfte des Unternehmens sollen demnach von der Art der bewaffneten Organisation gewusst und Kenntnis über deren Handlungen gehabt haben, wie aus einem 461-seitigen Dokument der Generalstaatsanwaltschaft hervorgeht.

Bei den Beschuldigten handelt es sich um acht Kolumbianer, sowie drei US-amerikanische Staatsbürger und jeweils einen Mitarbeiter aus Honduras und Costa Rica. Da es sich bei den zur Last gelegten Straftaten um "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" handelt, können diese nicht verjähren. Chiquita hatte damals drei Cent pro exportierte Bananenkiste an die Paramilitärs gezahlt, um dafür Sicherheit gegenüber Kleinbauern und anderen "Störenfrieden" gewährleistet zu bekommen.

Der Generalstaatsanwalt Néstor Humberto Martínez erklärte, dass sich der Privatsektor, in diesem Fall das auf Bananen spezialisierte multinationale Unternehmen Chiquita, als eine Art Brandbeschleuniger im über Jahrzehnte andauernden gewaltsamen Konflikt in Kolumbien betätigt habe.

Brisant ist die nun erhobene Anklage auch wegen der auf den Weg gebrachten Sonderjustiz für den Frieden (JEP). Im vergangenen November wurde diese auf Druck der Partei Demokratisches Zentrum (Centro Democratico) des mittlerweile amtierenden Präsidenten Iván Duque und dessen Vorvorgänger Álvaro Uribe unter anderem dahingehend modifiziert, dass sich dritte Parteien wie Unternehmen oder Politiker nur freiwillig einer entsprechenden gerichtlichen Aufarbeitung in Bezug auf ihre Beteiligung am gewaltsamen Konflikt stellen müssen.

Dies sorgte zunächst für Erleichterung bei Firmen wie Chiquita. Jedoch erklärte der Generalstaatsanwalt Martínez im Februar, dass die freiwillige Finanzierung paramilitärischer Gruppen nach kolumbianischem Recht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt werde. Dies könnte höhere und empfindlichere Strafen bedeuten als über die JEP belangt zu werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft will nun auch einmal mehr untersuchen, inwiefern Álvaro Uribe bei der Ausübung seines Amts als Gouverneur von Antioquia (zwischen 1995 und 1997) für die Ausbreitung des Paramilitarismus mitverantwortlich war. Es wird der Frage nachgegangen, wie die in dem Zeitraum von 1997 bis 2004 verantwortlichen Gouverneure von Antioquia ihrer Kontrollfunktion gegenüber Überwachungs- und Sicherheitsverbänden nicht gerecht wurden.

Chiquita hatte vor Jahren bereits zugegeben, den Paramilitärs bis 2004 1,7 Millionen US-Dollar gezahlt zu haben. Die Zahlungen sollen hauptsächlich über Schecks im Namen der vom Gesetz gedeckten paramilitärischen Kooperative Convivir abgewickelt und dann an die AUC weitergegeben worden sein. Uribe räumte in den letzten Tagen nochmals öffentlich seine Unterstützung der Convivir ein, verlangte von der Staatsanwaltschaft jedoch Beweise für direkte Treffen mit Chiquita und Vertretern der AUC. Er bestreitet somit noch immer seine Verbindung zu den Verbrechen, die durch paramilitärische Gruppen und Convivir-Einheiten verübt wurden, verteidigt aber deren Existenz und Wichtigkeit.

Die Quellenlage zu illegalen Tätigkeiten von Chiquita in Zentral- und Südamerika ist gut. Im vergangenen Jahr hatte die Investigativplattform Verdad Abierta umfassend die historische Verantwortung des Unternehmens beschrieben. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen wie der AUC wurde bereits 2007 sanktioniert und geht nun noch weiter. Die ebenfalls ermittelte Unterstützung linker Gruppierungen wie der Farc wurde gerichtlich nie verfolgt, da die Zahlungen erfolgten, bevor diese in den USA als terroristische Vereinigungen eingestuft wurden. Ab 1997 gibt es keine Nachweise weiterer Zahlungen an linke Guerillagruppen, während Paramilitärs bis 2004 bezahlt wurden.

Chiquita spielt bereits seit dem 19. Jahrhundert eine Rolle in Kolumbien bei der Landfrage und damit in Zusammenhang stehender Gewalt.