Venezuela / Politik

Versuchtes Attentat in Venezuela: 34 Verdächtige, 14 Festnahmen

Neue Ermittlungsergebnisse vorgestellt. International Kritik an Festnahme von Oppositionspolitiker. Deutsche Regierung fordert "Aufklärung der Ereignisse"

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Venezuelas Generalstaatsanwalt Tarek William Saab bei der Pressekonferenz am Dienstag
Venezuelas Generalstaatsanwalt Tarek William Saab bei der Pressekonferenz am Dienstag

Caracas. Bei einer Pressekonferenz hat der Generalstaatsanwalt von Venezuela, Tarek William Saab, über den neuesten Stand der Ermittlungen im Fall des versuchten Anschlags auf Präsident Nicolás Maduro während einer Militärparade am 4. August informiert. Demnach ist die Zahl der Verdächtigen auf 34 angestiegen. 14 Personen seien bereits festgenommen ‒ sechs von ihnen "in flagranti"‒ und dem Haftrichter vorgeführt worden. Zuletzt wurden ein General und ein Oberst der Bolivarischen Nationalgarde verhaftet. Sie sollen vertrauliche Informationen über die Veranstaltung zum 81. Jahrestag der Nationalgarde an die Terrorgruppe weitergegeben haben.

Mehrere Beschuldigte, darunter auch "intellektuelle Urheber" des Anschlags befänden sich im Ausland, daher habe Interpol auf Antrag seiner Behörde bislang 27 internationale Haftbefehle erlassen, so Saab weiter.

Am Montag wurde der ehemalige Parlamentsabgeordnete Juan Requenses von der rechtspopulistischen Partei Zuerst Gerechtigkeit (Primero Justicia, PJ) dem Haftrichter vorgeführt. Er wird nun wegen Hochverrats und Mittäterschaft beim Mordversuch am Präsidenten angeklagt. Requenses war von einem der Inhaftierten, Juan Carlos Monasterios, als die Person benannt worden, die Mitgliedern der Zelle bei Reisen von und nach Kolumbien geholfen habe. Der Ex-Parlamentarier, dessen Immunität aufgehoben wurde, bestätigte in Vernehmungen diese Aussage und beschuldigte wiederum seinen PJ-Parteigenossen Julio Borges, ihm den Auftrag erteilt und den entsprechenden Kontakt vermittelt zu haben.

Borges, Ex-Parlamentspräsident, ist der international bekannteste Oppositionspolitiker Venezuelas. Er wirbt seit Jahren bei seinen zahlreichen Besuchen in rechtsregierten Ländern Lateinamerikas sowie in Europa und den USA für Sanktionen und eine "humanitäre Intervention" in dem südamerikanischen Land. Gegen Borges, der inzwischen in Kolumbien lebt, liegt nun ein internationaler Haftbefehl vor. Er weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück und behauptet, es habe gar kein Attentat gegeben, das Ganze sei "eine Rauchbombe" der Regierung, um die Opposition "zu bedrohen und zu unterdrücken".

Die Festnahme von Requenses und der Haftbefehl gegen Borges sind indes international auf Kritik gestoßen. In einer Erklärung der Lima-Gruppe (Argentinien, Brasilien, Costa Rica, Chile, Guatemala, Guyana, Honduras, Kanada, Kolumbien, Mexiko, Panama, Paraguay, Peru) heißt es, diese Maßnahmen seien "willkürlich, illegal und ohne Untersuchungen" erfolgt und man weise jeden Versuch zurück, das "Ereignis vom 4. August", wie der versuchte Mordanschlag bezeichnet wird, "zu manipulieren, um den politischen Gegner zu verfolgen". Die Sprecherin der Außenbeauftragten der Europäischen Union, Maja Kocijancic, erklärte, die EU weise "jede Form von Gewalt zurück", erwarte "eine umfassende und transparente Untersuchung des Drohnenangriffs" und fordere ‒ wie zuvor die Lima-Gruppe ‒ die "sofortige Freilassung der politischen Gefangenen".

Auch der Staatssekretär im US-Außenministerium Francisco Palmieri nannte die Festnahme von Requenses "illegal". Sie sei "das jüngste Beispiel für eine lange Reihe von Menschenrechtsverletzungen" der venezolanischen Regierung.

Die Sprecherin des deutschen Außenamtes, Maria Adebahr, verurteilte die Verhaftung des Primero Justicia-Politikers als "klare Verletzung der parlamentarischen Immunität". Auf Nachfrage eines Redakteurs von Russia Today bei der Bundespressekonferenz, warum die deutsche Regierung das Drohnenattentat nicht verurteile, antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert, ihm lägen "keine konkreten Hinweise über dieses Attentat vor, von dem ich aus der Presseberichterstattung weiß". Seine Kollegin Adebahr erklärte, man erwarte "selbstverständlich" von der venezolanischen Regierung, dass sie bei der "Aufklärung der Ereignisse vom 4. August verfassungsmäßige und rechtsstaatliche Standards einhält". Die "Hauptsorge" der Regierung Merkel gelte "der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung und der Achtung der Menschenrechte, der Freilassung aller politischen Gefangenen, die es gibt und einer Linderung der dramatischen Versorgungslage" der Bevölkerung. Auf nochmalige Nachfrage, ob sich die Bundesregierung trotz zahlreicher Indizien und Zeugenaussagen, die auf einen Mordanschlag gegen ein gewähltes Staatsoberhaupt hindeuteten, nicht in der Lage sehe, diesen zu verurteilen, wiederholte sie lediglich, man fordere "die Aufklärung dieses Sachverhalts".