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Nicaragua begeht inmitten heftiger Proteste 39. Jahrestag der Revolution

Jubiläum bestimmt von Ausschreitungen. Gewalt forderte über 300 Opfer. Unterschiedliche Darstellung über Verantwortung für Eskalation

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Hauptkundgebung zum Jahrestag der Revolution in Managua, Nicaragua
Hauptkundgebung zum Jahrestag der Revolution in Managua, Nicaragua

Managua. Nicaragua hat am gestrigen Donnerstag den 39. Jahrestag der sandinistischen Revolution im Jahr 1979 begangen. Überschattet wurde der Jahrestag von heftigen Protesten von Regierungsgegnern, in deren Verlauf in den vergangenen Wochen mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen sind. Über die Verantwortung für die Toten gibt es unterschiedliche Darstellungen. Während Gegner der Regierung von Präsident Daniel Ortega in Nicaragua und im Ausland die Regierung und die Polizei verantwortlich machen, sehen die Staatsführung und zahlreiche lateinamerikanische Linke die Verantwortung bei den USA und terroristischen Kräften. Eine Lösung des Konfliktes scheint zuletzt in weite Ferne gerückt.

Dennoch zuversichtlich zeigte sich bei der Massenveranstaltung auf der Plaza la Fe in der Hauptstadt Managua die Vizepräsidentin und Ehefrau von Präsident Daniel Ortega, Rosario Murillo. Gemeinsam sei man "auf dem Weg zu neuen Siegen" sagte sie vor tausenden Anhängern. "Sehen wir dem 40. Jahrestag (der Revolution) entgegen, feiern wir in allen Verwaltungsbezirken und Departements, erinnern wir an den Sieg (der Revolution vor 39. Jahren) und machen wir uns auf den Weg zu neuen Siegen", so Murillo. Die Politikerin bat die Bürger, an dem Gedenken teilzunehmen, um "geleitet von Christentum, Nächstenliebe, Sozialismus und Solidarität" der schweren politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise entgegenzutreten, die Nicaragua seit Beginn der Anti-Regierungsproteste vor drei Monaten erleidet. Die Regierung sei fest entschlossen, Sicherheit und Leben der Bürger gegen "terroristische Aktionen" zu schützen.

Die heftigen Proteste in Nicaragua hatten vor drei Monaten relativ überraschend begonnen und sich rasch zugespitzt. Auslöser war der Unmut über eine Reform des Sozialversicherungssystems, das unter anderem Rentner mehr belastet hätte. Obwohl die Reform zurückgenommen wurde, eskalierten die Proteste. Vertreter der Regierung gehen daher davon aus, dass hinter den teilweise heftigen Ausschreitungen ausländische Interessen stehen. Vor allem die USA werden für eine Regime-Change-Politik verantwortlich gemacht. Zuletzt stärkte das Foro de São Paulo, ein Zusammenschluss linker Parteien und Organisationen, diese These.

Vor dem Hintergrund der massiven Ausschreitungen hat das nicaraguanische Parlament zu Beginn dieser Woche zwei Gesetze verabschiedet, die gewaltsame Proteste und die Finanzierung von gewalttätigen Gruppierungen unterbinden soll. Beide Gesetze waren von Präsident Ortega eingebracht und mit 70 von 92 Stimmen verabschiedet worden. Wer Personen außerhalb eines bewaffneten Konfliktes verletzt oder tötet oder öffentliches oder privates Eigentum zerstört, wird nach den neuen Gesetzen mit Haftstrafen zwischen 15 und 20 Jahren bestraft.

Auch auf internationaler Ebene spitzt sich die Auseinandersetzung um die Proteste und die Gegenaktionen von Staat und  Sicherheitskräften zu. Nach heftiger Kritik des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte an Regierung und Polizei in dem mittelamerikanischen Land protestierte das Außenministerium in Managua gegen "einseitige Erklärungen" der Weltorganisation. Diese würden nur zur Manipulation der Darstellungen des Konfliktes in den Medien beitragen. Das UNO-Gremium hatte Anfang der Woche die neue Anti-Terror-Gesetzgebung  mit deutlichen Worten kritisiert. Die neue Regelung sei dazu geeignet, "friedliche Demonstranten als Terroristen zu bezeichnen". Die regierende Linkspartei FSLN warf dem UN-Büro daraufhin vor, sich zu "Komplizen von Terroristen" zu machen.

Während in der internationalen Presse die Polizeigewalt stark hervorgehoben wird und Gegner von Präsident Ortega zu Wort kommen, hoben regierungsnahe Medien in Nicaragua und lateinamerikanische Redaktionen die Gewalt einiger Demonstranten hervor. So berichtete der in Caracas ansässige lateinamerikanische Fernsehsender Telesur über einen bewaffneten Angriff von militanten Regierungsgegnern auf Polizisten in der Stadt Masaya im Südosten des Landes. Vermummte und Bewaffnete hätten dabei den Polizisten Kelvin Javier R. erschossen, hieß es in einem Kommuniqué der Polizei. Seit Beginn der Proteste hatten gewalttätige Demonstranten mehrfach Polizeistationen attackiert, dabei kamen nach offiziellen Angaben bislang 19 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben.